„Go ahead!”

– Dieses Kommando ruft Anton Kuttner seinen Schlittenhunden zu, wenn er möchte, dass sie stur geradeaus weiterlaufen. Und so lautet auch der Titel des Films über sein Leben, der Anfang November in den Kinos anlief. Denn Anton Kuttner ist konsequent seinen Weg gegangen, obwohl das Schicksal riesige Stolpersteine für ihn bereithielt. Der Film soll den Menschen zeigen, dass es – egal, was kommt – immer Hoffnung gibt.

FOTOS: PRIVAT, AV-DESIGN GMBH, TM-HECHENBERGER

„Mir gfallt er brutal guat – der beste Film, den ich je gesehen habe”, strahlt Anton Kuttner. Dabei habe er anfangs mit der Idee, sein Leben zu verfilmen, wenig anfangen können. Er hatte schließlich schon öfter mit seinen Schlittenhunden für Werbeaufnahmen posiert, kannte die endlosen Wiederholungen am Set, die Mensch und Tier gleichermaßen ermüden. Außerdem hatte er keinerlei Ambitionen, sein Geschäft mit den Schlittenhunden auszubauen. Doch Anton Kuttner hat auch eine Mission, der er sich verpflichtet fühlt. Er möchte Kinder unterstützen, die in einer schlimmen Lebenssituation stecken, will ihnen ein paar schöne Stunden mit den Hunden schenken und ihnen Hoffnung geben. Der Film könnte dabei helfen, meinte auch seine Familie. Deshalb sagte er zu.

„Vor 45 Jahren war ich einer der Ersten weltweit, die eine Knochenmarktransplantation überlebt haben”, erzählt der Bludescher, der schon im Alter von eineinhalb Jahren den Vater verlor. Er ging gerade eben zur Volksschule, als er an Leukämie erkrankte. Als naturverbundener Bub, der immer draußen auf Achse war, fiel es ihm schwer, fast zwölf Monate lang im Krankenhaus das Bett zu hüten. Trotzdem gehörte er damals zu den absoluten Glückspilzen. Neun andere Kinder, die 1978/79 ebenfalls in München operiert wurden, verstarben. Dieses Wissen begleitet Anton Kuttner bis heute – zumal er vor fünf Jahren erneut gegen den Krebs ankämpfen musste und seither noch bewusster lebt. Er ist seiner im Alter von 33 Jahren an Krebs verstorbenen Schwester Kathi, die ihm damals Knochenmark spendete, unendlich dankbar. „Ich habe ungeheures Glück gehabt.” 

Hunde geben Halt und Hoffnung

In seiner Kindheit war es ein Buch über die verschiedenen Hunderassen, das ihm – neben seiner Familie – Halt gab. Auf den erwachsenen Patienten warteten ein noch nicht geborenes Enkelkind und 22 Huskys. Denn vor 31 Jahren erfüllte sich Anton Kuttner seinen Bubentraum. Der damals 22-Jährige holte sich den ersten und bereits zwei Monate später den zweiten Schlittenhund ins Haus und wurde nach und nach zum weitum bekannten „Husky Toni”. 1999 löste er einen Gewerbeschein, hängte 2001 seinen Beruf als OP-Helfer an den Nagel, trainierte seine Hunde, richtete auf der Tschengla ein Camp ein und bot Schlittenfahrten für private Ausflüge und Firmenevents an. Im Laufe der Jahre ließen sich viele unterschiedliche Gruppen und auch Prominente von ihm und seinen Hunden durch die Landschaft kutschieren.

Anton Kuttner hatte aber schnell erkannt, dass seine Hunde einen besonderen Draht zu Kindern haben, „und sie spüren sofort, wenn jemand krank ist”. Schon seit 1998 lädt er deshalb Mädchen und Buben zum Mitfahren ein, die ein schlimmes Leiden haben. Er arbeitet dafür mit dem „Netz für Kinder”,  Joe Fritsches „Stunde des Herzens” und anderen Hilfsorganisationen zusammen und gründete vor zehn Jahren den Verein „Husky Toni’s Kindertraum”. Manchmal heißt er betroffene Kinder und ihre Eltern sogar für eine ganze Urlaubswoche zusammen mit seiner eigenen Familie in Schweden willkommen. Hoch im Norden haben die Kuttners nämlich 2013 ihr kleines Paradies gefunden – ohne großen Luxus mit Plumpsklo und Kochen am Holzherd. 

Huskys sind sehr feinfühlig, hängen an den Menschen und gehen vor allem zu Kindern schnell in Beziehung. Der Kontakt mit den Hunden hilft kranken Menschen, die Hoffnung nicht zu verlieren. Diese Erfahrung hat Anton Kuttner an sich selbst gemacht. Deshalb möchte er Kindern in schwierigen Lebenssituationen die Möglichkeit bieten, glückliche Stunden mit den Huskys zu erleben.

Anton Kuttner liebt die Ursprünglichkeit und Weite dieses Landes, in dem er die Hunde stundenlang laufen lassen kann. Ganz allein mit seinem Gespann legt er dort an einem Tag bis zu 120 Kilometer zurück, ohne jemandem zu begegnen. Er hat oft beobachtet, wie diese Einsamkeit ihn selbst und seine Besucher zur Ruhe kommen lässt. Am Lagerfeuer werden tiefgründige Gespräche möglich – über das Leben und auch über den Tod. „Die Eltern erzählen mir oft, dass ihre Kinder nach diesem Urlaub wieder mehr Mut haben”, berichtet Anton Kuttner. „Und darum geht es doch, dass sie die Hoffnung nicht verlieren.” Es sind viele Einzelschicksale, die ihn im Laufe der Jahre tief berührt haben, und mit seinen Huskys konnte er so manchem todkranken Kind glückliche Momente bescheren. 

Die Hunde waren es auch, die ihn zum Film gebracht haben. Denn Regisseur Ulrich Grimm hatte sich ebenfalls für Huskys begeistert. Der gebürtige Schweizer lebt schon lange in Wien. Dort sollte der Rüde natürlich brav „bei Fuß” gehen. Doch „Luigi” hatte seinen eigenen Kopf, ihm stand der Sinn – wie es einem ordentlichen Schlittenhund ansteht – mehr nach „ziehen”. Nach ein paar Monaten sah der Filmschaffende ein, dass er dem Tier kein passendes Umfeld bieten konnte. Bei seinen Recherchen stolperte er über den „Husky Toni” in Vorarlberg und fragte bei Anton Kuttner an, ob er den jungen Hund in sein Rudel aufnehmen würde. Die beiden trafen sich auf halbem Weg an der Autobahnraststätte Mondsee zur Übergabe. Seither ist „Nanook” – Anton Kuttner gab ihm sofort einen für ihn passenderen Namen – zu einer starken Stütze des Schlittengespanns gereift. Der alte und der neue Besitzer blieben in Kontakt, tauschten Fotos aus. 

Mitspielen im Film über das eigene Leben

Damals reifte in Ulrich Grimm die Idee für einen dokumentarischen Spielfilm, den Anton Kuttner zuerst einmal kategorisch ablehnte, heute aber als wundervolles „Vermächtnis” sieht. Außerdem hofft er, dass er durch die mediale Aufmerksamkeit Unterstützer findet, die es ihm ermöglichen, noch mehr Kindern mit seinen Hunden Freude zu bereiten. „Das macht für mich viel mehr Sinn als die Firmen-Events, von denen ich lebe”, erklärt er. 

Immerhin verschlingt sein Rudel übers Jahr rund drei Tonnen Trockenfutter, dazu noch pürierten Lachs aus der Dose und Energieriegel. So summieren sich die Kosten allein für die Ernährung der Hunde auf rund 10.000 Euro pro Jahr. Die Huskys brauchen schließlich viel Energie, damit sie mehr als das Doppelte ihres eigenen Körpergewichts über weite Strecken ziehen können. Sie sind durchschnittlich mit einer Geschwindigkeit von rund 12 bis 15 km/h unterwegs und haben entsprechenden Kalorienbedarf. Um die Möglichkeit zu erhalten, „Husky Toni’s Kindertraum” weiter auszubauen, erzählte Anton Kuttner Ulrich Grimm seine ganze Lebensgeschichte und sagte „ja” zum Filmprojekt.

Emotionale Momente am Dreh

Das Drehbuch sah vor, dass er selbst, seine Frau Verena, die drei Töchter, die Enkel Matteo und Emilia sowie „Götebua” Franz mitspielen. Und dabei im Dialekt sprechen, damit die Laienschauspieler authentisch „rüberkommen”. Untertitel in deutscher, schwedischer, englischer, französischer und italienischer Sprache können eingeblendet werden, damit auch das Publikum außerhalb Vorarlbergs alles versteht. 

Sogar eine befreundete Familie, eine Krankenschwester und Anton Kuttners langjähriger Hausarzt, Dr. Manfred Maier, wirkten mit. Letzterer übernahm die Rolle jenes Spezialisten, der den Patienten und dessen Frau vor fünf Jahren über die neuerliche Krebserkrankung – diesmal in der Mundhöhle – aufklärte. 

„Die Dreharbeiten waren zum Teil sehr emotional”, berichtet Anton Kuttner, „wir haben alles noch einmal durchlebt.” Anfangs waren er und seine Familie angesichts der beiden Kameras, die jeden ihrer Schritte begleiteten, gehemmt. „Doch mit der Zeit vergisst man sie. Wir hatten einfach Astrid und Jörg an unserer Seite.” 

Zwei Mal reiste das Filmteam letztes Jahr nach Schweden, drei Mal wurde in Vorarlberg gedreht. Dank großzügiger Förderung durch das Österreichische Filminstitut standen gut 400.000 Euro an Budgetmitteln bereit. „Es gäbe noch Material für zwei weitere Filme”, ist sich Anton Kuttner sicher. Die beiden Cutterinnen, die vier Monate lang an dem Streifen  arbeiteten, hatten es also alles andere als leicht. Doch: „75 Prozent der Aufnahmen passten gleich beim ersten Mal”, berichtet der Hauptdarsteller stolz. 

Im wirklichen Leben wird er seine Rolle als „Husky Toni” mit viel Freude weiterspielen – getreu seinem Motto: „S‘Leaba leba, go ahead!”

Wer Anton Kuttners Hilfswerk für kranke Kinder unterstützen möchte, findet im Internet unter husky-toni-kindertraum.at weitere Informationen. Spenden können auf dieses Konto bei der Hypo Bank Bludenz eingezahlt werden:

IBAN: AT30 5800 0135 8090 5018
BIC: HYPVAT2B
Verwendungszweck: Spende Husky Tonis Kindertraum

Vorheriger ArtikelEin Diplom für Buslenker