Blick weit über den Gartenzaun hinaus

Mit Florian Kasseroler verabschiedet sich demnächst ein ganz besonderer Politiker in die Pension. Sein Wirken ging weit über die Marktgemeinde Nenzing hinaus, wo er seit 2003 als Bürgermeister amtiert. Federführend war er an der Gründung der Regio Im Walgau im September 2011 beteiligt. Und trug seither als deren visionärer Obmann maßgeblich zur Entwicklung dieses weit über die Landesgrenzen hinaus viel beachteten Vereins bei.

FOTOS: TM-HECHENBERGER, HANDOUT, PRIVAT

„Wer ein ruhiges Leben führen will, der sollte besser nicht Bürgermeister werden wollen”, rät Florian Kasseroler. Er beklagt sich dabei nicht über lange Arbeitstage und durchgeplante Wochenenden. Aber: „Als Bürgermeister ist man eine öffentliche Person, das ist für die ganze Familie eine Belastung”, weiß der vierfache Familienvater – und ist seiner Gattin und den vier Kindern dankbar für ihr Verständnis. „Andererseits kann man mit Geduld, Beharrlichkeit und ‚Gspür‘ vieles für die Menschen bewirken”, ergänzt der Langzeitbürgermeister. Jetzt, gegen Ende seiner politischen Laufbahn, zieht er deswegen eine sehr positive Bilanz.

Am 22. März 1960 geboren, maturierte Florian Kasseroler an der HTL Dornbirn und arbeitete zunächst im Auftrag des Finanzministeriums beim Hauptzollamt in Feldkirch. Er war 35 Jahre alt, als er von seinem Vorgänger Bruno Hummer zum Engagement in die Nenzinger Gemeindepolitik eingeladen wurde. Bei den Gemeindewahlen von 1995 wurde er als Kandidat der Hummer-Liste „FPÖ und Parteifreie” in die Gemeindevertretung und von dieser in den Gemeindevorstand (Gemeinderat) gewählt. 

Nach den Landtagswahlen 1999 war er zudem Abgeordneter des Landtages. Dieses Amt legte er nieder, nachdem er im September 2003 von der Gemeindevertretung anstelle des (nach 18 Jahren) zurückgetretenen Bruno Hummer zum Bürgermeister von Nenzing gewählt wurde.

„Parteipolitik war mir nie wichtig, vor allem in der Gemeindepolitik hat sie eigentlich nichts zu suchen”, betont Kasseroler. Dass sich verschiedene Listen der Wahl stellen, habe schon seinen Sinn, weil sich so im besten Fall ein Wettbewerb der besten Ideen entfalten kann. Bei täglichen Entscheidungen gehe es aber nicht um Ideologie, und schon gar nicht könne er Ideen, Probleme oder Anliegen von Menschen mehr oder weniger ernst nehmen, je nachdem, ob sie der eigenen Liste nahestehen oder nicht. Der beste Beleg für seine Überparteilichkeit ist die Tatsache, dass er seit der Gründung der Regio Im Walgau von den mehrheitlich „schwarzen” Bürgermeisterkollegen (in den Jahren 2011, 2016, und 2021) zu deren Obmann gewählt wurde.

Nach einer dreijährigen Vorbereitungsphase wurde die Regio Im Walgau bei der Vollversammlung am 23. September 2011 in Nüziders von den Bürgermeistern und Delegierten aus allen Gemeinden und in Anwesenheit der heutigen Walgauer (!) Spitzenpolitiker Landeshauptmann Markus Wallner (Frastanz, damals Statthalter) und Landtagspräsident Harald Sonderegger (damals Bürgermeister in Schlins) feierlich gegründet.

Das zeigt andererseits auch, dass die Zusammenarbeit der 14 Gemeinden in der Regio über Parteigrenzen hinaus funktioniert. „Nur so konnte sich die Regio in den 14 Jahren seit ihrer Gründung zu einem weit über die Landesgrenzen hinaus viel beachteten Best-Practice-Modell regionaler Zusammenarbeit entwickeln”, ist Kasseroler überzeugt. 

Gegenseitiges Vertrauen ist die Basis

„Die wichtigste Voraussetzung dafür war immer das gegenseitige Vertrauen. Und Vertrauen ist wiederum ein zartes Pflänzchen, das täglich gepflegt werden will”, berichtet Kasseroler.

Er erinnert sich noch gut an die Diskussionen über die Zukunft des Nenzinger Freibades. Dieses war 1973 errichtet worden und nach fast vierzig Jahren Hochbetrieb ein Sanierungsfall. „Die dafür veranschlagten Kosten von sechs Millionen Euro konnten wir als Marktgemeinde alleine nicht stemmen”, so Kasseroler. Die Idee, dass man den Umbau des Walgaubades in Nenzing künftig gemeinsam über die 14 Regiogemeinden finanzieren könnte, wurde freilich nicht auf Anhieb mit Begeisterung aufgenommen.

Regionales Bad als Initialzündung 

Bis dahin war es immer so gewesen, dass die Standortgemeinde alleine für die Bau- und Betriebskosten ihrer Freizeit-Infra­struktur zu zahlen hatte. Dabei wurde das Walgaubad nicht nur von Nenzinger Bürgern genutzt. Zählungen belegten, dass 75 Prozent der Badegäste von auswärts – und hauptsächlich aus den anderen Walgaugemeinden – kommen. Ein „Aus” für das Freibad wäre also für Familien und Badegäste in der ganzen Region ein Verlust gewesen: Dasselbe galt auch für die Bäder Untere Au und Felsenau in Frastanz.

Das Thema einer gemeinschaftlichen Finanzierung von regional bedeutsamer Infrastruktur stand daher schon in der dreijährigen Pilotphase vor der Gründung der Regio auf der Tagesordnung. 

Für die drei Bäder wurde in akribischer Arbeit ein Finanzierungsschlüssel ausgearbeitet. Dabei wurde festgehalten, dass den Großteil der Investitions- und Betriebskosten auch in Zukunft die Standortgemeinden zu zahlen haben. Die Höhe der Beteiligung der anderen Gemeinden richtet sich nach verschiedenen Kriterien wie der Größe, Finanzkraft und der Entfernung zu den Bädern.

Dass die einzelnen Gemeindevertretungen diese Mitfinanzierung einstimmig beziehungsweise mit großer Mehrheit beschlossen haben, war für Kasseroler eine Sternstunde. Nicht nur für den Bürgermeister Kasseroler – weil damit die Zukunft des Bades in Nenzing gesichert war -, sondern vor allem auch für den Regio-Obmann Kasseroler: „Im Vorfeld gab es viele Stimmen, die eine solche Solidarität für gänzlich unmöglich gehalten hatten. Umso bedeutender waren diese Beschlüsse!”

Zugute kommt diese Zusammenarbeit allen Menschen im Walgau, indem sie jetzt ein neues familienfreundliches Walgaubad nutzen können und aktuell auch die dritte und letzte Sanierungsetappe im Frastanzer Naturbad Untere Au umgesetzt werden kann. Das Hallenbad in Schlins konnte ebenfalls erneuert werden.

Die Regio Im Walgau hat seit ihrer Gründung 2011 durch die auf gutem Vertrauen basierende Zusammenarbeit aber noch viel mehr erreicht. Gemeinschaftliche Finanzdienstleistungszentren, in denen die beteiligten Gemeinden bei ihrer Buchhaltung, Lohnabrechnungen, bei der Erarbeitung von Budgets und Rechnungsabschlüssen etc. von Experten unterstützt werden, bringen viel Erleichterung – die letztlich den Bürgern zugute kommt. 

Bei der Regio Im Walgau sind viele wichtige Entscheidungen einstimmig getroffen worden.

Dasselbe gilt für die Zusammenarbeit bei regionalen räumlichen Entwicklungskonzepten, der Kinderbetreuung, Umweltschutz, Pflege und vielem mehr.

„Die Arbeit für die Regio Im Walgau und die damit verbundene Zusammenarbeit mit den Bürgermeistern und Gemeindevertretern sowie der Diskurs mit hervorragenden Fachleuten hat mir immer sehr viel bedeutet und ist gewinnbringend für alle Beteiligten”, resümiert Kasseroler. 

EU-Kommissar Johannes Hahn im Austausch mit „EU-Vizebürgermeister” Florian Kasseroler.

Die Geschehnisse auf europäischer Ebene hat er ebenfalls mit Interesse und Sachverstand verfolgt. Mit seinem Fachwissen über die EU errang er bei einem Wettbewerb im Jahr 2010 sogar den Ehrentitel „EU-Vizebürgermeister”, der ihm intensive Einblicke in die Arbeit des EU-Ausschusses für Regionen ermöglichte.

Hauptfokus auf die Gemeinde

Florian Kasserolers Hauptaugenmerk galt aber natürlich immer der Marktgemeinde Nenzing. „Ich glaube, da haben wir gemeinsam schon viel erreicht”, zieht er eine positive Bilanz. Dass er mit einem guten Gewissen seine Politpension antreten kann (er wird am 22. März 65 Jahre alt), das begründet er nicht nur mit Verweis auf gesunde Finanzen trotz gewaltiger Investitionen in den letzten 22 Jahren (z.B. für das Sozialzentrum, die Kinderbetreuung und Schulen): Er habe für seine Liste mit Kornelia Spiß eine „erfahrene Gemeindepolitikerin für seine Nachfolge” ins Spiel gebracht. Damit hofft er, dass in der Gemeinde und in der Region weiterhin auf Zusammenarbeit gesetzt wird.

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