Braunkehlchen

(SAXICOLA RUBETRA) Braunkehlchen kommen in Vorarlberg vor allem im Walgau und im Rheintal vor. Ausgewachsene Vögel sind zwölf bis 14 Zentimeter groß und wiegen gerade einmal 15 bis 22 Gramm. Die Winterquartiere dieser Art liegen im tropischen Afrika südlich der Sahara. Hierzulande ist das Braunkehlchen von April/Mai bis September zu beobachten. Das Braunkehlchen gehört wie das weit bekanntere Rotkehlchen zur Familie der „Fliegenschnäpper”. Diese Art wird bis zu acht Jahre alt.

Das Braunkehlchen ist weit weniger bekannt als sein naher Verwandter, das Rotkehlchen. Dies liegt vor allem daran, dass der Bestand stark abgenommen hat. Als Bodenbrüter ist der „Vogel des Jahres 2023” zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Sein größter Widersacher ist allerdings der Mensch.

FOTOS: GERALD SUTTER, PRIVAT

Das Braunkehlchen ist im April/Mai in seine Brutgebiete im Walgau und im Rheintal zurückgekehrt. Der kleine Singvogel hat gewaltige Strapazen hinter sich und während der nächtlichen Flüge eine Strecke von insgesamt rund 5000 Kilometern aus eigener Kraft überwunden. Die kalte Jahreszeit verbringt das Braunkehlchen nämlich am liebsten in Regionen südlich der Sahara. Während man es bei uns früher sehr oft beobachten konnte, ist es in den letzten Jahrzehnten immer seltener zu entdecken.

Das Braunkehlchen braucht eine Wiese mit vielen verschiedenen Pflanzen. Es liebt einen erhöhten Standort, von dem aus es die Übersicht behält.

Als Sommerquartier und Kinderstube sucht sich der kleine Vogel hierzulande eine feuchte oder trockene Wiese mit möglichst vielfältigem Bewuchs, die ihm Schutz und Nahrung bietet. Jene Männchen, die einem Weibchen ein solches Revier bieten können, haben bei der Partnerwahl die Nase vorn. In einer Umgebung mit verschiedensten Pflanzen fühlen sich auch viele andere Tiere wohl. Und damit ist der Tisch für das Braunkehlchen reich gedeckt. Denn zu seinen Leibspeisen zählen Schmetterlinge, Raupen, Heuschrecken, Würmer, Spinnen und kleine Schnecken. Im Herbst nimmt es gelegentlich auch mit vegetarischer Kost Vorlieb und pflückt Beeren von den Sträuchern. Auf seine Beutetiere lauert der Vogel gerne von einem erhöhten Standort aus. Er lässt sich an der Spitze kleiner Büsche, auf höheren Halmen oder etwa auf einem Zaunpfahl nieder, um den Überblick zu haben. Von dort aus beeindruckt das Männchen außerdem das weibliche Geschlecht mit seinem Gesang.

Hat sich ein Paar gefunden, baut das Weibchen in einer Bodenmulde – gut versteckt im Gras oder unter Sträuchern – ein rundes Nest aus Moos, Grashalmen und weiteren Materialien, welche die Umgebung liefert. Die Jungen, welche nach zwei Wochen aus den darin abgelegten Eiern schlüpfen, dürfen noch weitere 14 Tage bleiben. Doch schon nach zwei Wochen „Hotel Mama” müssen sie auf eigenen Beinen stehen. Und damit beginnt die gefährlichste Woche ihres Lebens. Denn die Jungvögel können zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht fliegen, sie müssen am Boden bleiben und sich möglichst unsichtbar machen. Sperber, Falke, Rabenvögel, Eulen, Marder, aber auch unsere Hauskatzen lauern den kleinen Braunkehlchen nur allzu gerne auf. Ein nasskalter Frühling macht dem Vogel-Nachwuchs ebenfalls schwer zu schaffen. Bei niedrigen Temperaturen und viel Niederschlag werden die Tiere durch Infektionskrankheiten geschwächt, Parasiten haben dann leichte Beute. Freilaufende Hunde greifen die Jungvögel zwar nicht direkt an. Nervenaufreibende Störungen wie diese oder auch durch Freizeitsportler wirken sich aber ebenfalls auf den Bruterfolg aus. Viele Vögel werden getötet und die Nester zerstört, wenn die Wiesen zu früh gemäht werden.

„Braunkehlchen-Biotope” werden immer kleiner

„Von solchen Rückschlägen würde sich eine Population allerdings erholen”, weiß die Obfrau von BirdLife Vorarlberg, Johanna Kronberger. „Viel schlimmer ist vielmehr, dass der Lebensraum des Braunkehlchens immer kleiner wird.” Durch den Einsatz von Dünger und Pestiziden und die vielen Mahden hat die Artenvielfalt auf vielen Wiesen stark abgenommen, und auch die Insekten sind deutlich weniger geworden. Braunkehlchen brauchen beides. „Wiesenbrüter sind generell stark gefährdet, der Bestand an Braunkehlchen hat aber geradezu dramatisch abgenommen”, erklärt Johanna Kronberger. Die Zahlen schwanken stark. Experten beim Naturschutzbund gehen aber jedenfalls von einem Minus zwischen 63 und 80 Prozent in den letzten 25 Jahren aus. Kein Wunder also, dass BirdLife den kleinen Zugvogel schon zum zweiten Mal (nach 1987) zum „Vogel des Jahres” gekürt hat, um auf seine Situation aufmerksam zu machen. Im Walgau sind nur wenige Brutpaare in den größeren Riedgebieten – etwa im Frastanzer und im Satteinser Ried – zu finden.

Es gibt aber auch Lichtblicke: Denn der Naturschutzbund und die Vorarlberger Jägerschaft nehmen sich seit 1999 der Wiesenbrüter an. Sie schufen etwa im Höchster Ried durch Entbuschung neue Lebensräume für diese Vogelarten. Außerdem konnten einige Landwirte davon überzeugt werden, einen Teil ihrer Flächen weniger intensiv zu nutzen. Mittels Elektro-Zäunen werden Nesträuber von besonders gefährdeten Gelegen – vor allem auch von jenen des Kiebitz und des Großen Brachvogels – ferngehalten. Aus Ästen haben die Helfer sogar Singwarten speziell für das Braunkehlchen gebaut. „Diese Anstrengungen zeigen Erfolg”, berichtet Johanna Kronberger. Laut Zählungen des Naturschutzbundes hat sich der Braunkehlchen-Bestand in Vorarlberg von 2017 bis 2020 von 200 auf 260 Brutpaare erhöht. Die Obfrau von BirdLife Vorarlberg appelliert deshalb einmal mehr an alle Besitzer von Grund und Boden:

„Wenn wir unsere Gärten und Felder weniger aufräumen, weniger mähen, abwechslungsreicher gestalten und auch mal ein bisschen Wildnis zulassen, tun wir schon einiges dafür, dass wir den Gesang des Braunkehlchens und vieler anderer Vogelarten weiterhin hören können.”

JOHANNA KRONBERGER aus Sulz engagiert sich seit fast sechs Jahren als Obfrau von BirdLife Vorarlberg für den Schutz der Vogelwelt. Die begeisterte Ornithologin hat in Innsbruck und Wien Naturschutz und Biodiversität studiert.
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