Bühne für einen glorreichen Sommer

Auf diesem Gelände in der Galätscha oberhalb von Nenzing soll der „Glorious Summer” von Daniela Jochum (li.) und Isabella Marte über die Bühne gehen.

„Glorreicher Sommer” – so lautet das Motto für den ersten Auftritt des Kultursteg Walgau, einer mobilen Freilichtbühne, welche die Region längerfristig mit vielfältigen Impulsen bereichern soll.

FOTOS: TM-HECHENBERGER

„Endlich wird der Steg gebaut”, freuen sich Daniela Jochum und Isabella Marte. Zeitweise haben sie nicht mehr an eine Realisierung geglaubt. Denn die Idee eines Veranstaltungsraums in der Natur, der an unterschiedlichsten Orten Impulse setzt, geistert schon länger in ihren Köpfen herum. In den Schreibtischschubladen von Daniela Jochum stapelten sich die Planskizzen. 

Die selbstständige Architektin träumt seit Jahren von einem neutralen Bau, der als Podium für visionäre Gedanken taugt und kulturelle Vielfalt zulässt. „Anfangs wollte ich eher einen Pavillon bauen”, erzählt die Nenzingerin. Im Austausch mit ihrer Jugendfreundin Isabella Marte nahm die mobile Freiluftbühne dann aber die Gestalt eines sich verbreiternden Stegs an, der Kultur und Natur verbindet. Er soll sich wie ein Trichter zu seiner Umgebung hin öffnen, um Botschaften hinauszutragen und von dort aufzusaugen.

Die beiden insgesamt 200 Quadratmeter großen Tribünen werden durch einen treppenförmigen Zuschauerraum verbunden. Das Auf- und Abbauen dauert zwar einige Stunden und ist mit einigem Aufwand verbunden, nach seinem Umzug hinterlässt der Kultursteg aber keine bleibenden Spuren in der Landschaft.
Mitarbeiter der Agrargemeinschaft Nenzing haben Mitte Mai im Nenzinger Wald die Bäume für den Bau des Kulturstegs gefällt.

 Ein Steg von gewaltigen Dimensionen allerdings. 22 Meter lang und bis zu acht Meter hoch ist das handfeste Werkstück, an dem Lehrlinge aus dem ganzen Walgau derzeit zimmern. Mitarbeiter der Agrargemeinschaft Nenzing haben dafür 70 Kubikmeter Tannenholz in den Nenzinger Wäldern geschlagen. Daniela Jochum und Isabella Marte verfolgen momentan überglücklich, wie ihre Vision Formen annimmt. Dank Zusagen durch den LEADER-Fonds der EU, die zuständigen Stellen in Land und Bund, die Marktgemeinde Nenzing sowie privater Sponsoren sehen sie sich in der Lage, den Steg zu errichten und auch gleich auf seine Praxistauglichkeit zu testen. Gemeinsam mit „Keynote-Speakern” und Kulturschaffenden aus der Region und darüber hinaus planen die beiden also einen „Glorious Summer”. Bei Redaktionsschluss waren zwar – auch coronabedingt – noch einige Details unklar, doch so viel ist fix:

Ab 20. August wird der Kultursteg auf der Galätscha oberhalb von Nenzing Schauplatz eines inspirierenden Treibens sein, das kulturelle und gesellschaftspolitische Impulsvorträge, Konzerte, Tanz, Diskussionsrunden, Workshops, Ausstellungen, Schamanische Rituale, Yoga-Einheiten, Koch-Events und vieles mehr bereithält. „Inspiriert wurden wir durch Harald Welzers Buch Alles könnte anders sein. Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen”, erzählt Isabella Marte.

Sie hat den deutschen Soziologen und Visionär nach Nenzing eingeladen. Bei Redaktionsschluss war allerdings noch nicht klar, ob er persönlich kommen kann. „Nichtsdestotrotz wird sein Manifest ein tragendes Motto für den glorreichen Sommer 2021 sein.” Isabella Marte hat ihr Talent als Event-Managerin unter anderem schon beim Architekturzentrum in Wien, 2007 bei der Documenta und der Biennale, als Projektleiterin der Art Bodensee und als Mitarbeiterin des Kunstmuseums Liechtenstein unter Beweis gestellt. 

„dinna-dussa-Festival” auf der Galätscha

Herzstück des „Glorious Summer” ist das „dinna-dussa-Festival” von 26. bis 29. August. Es geht den beiden Frauen dabei um den Austausch der Menschen „dinna” mit jenen außerhalb. Ein verantwortungsbewusster Lebensstil und neue Formen des Zusammenlebens sollen in unterschiedlichsten Foren und Veranstaltungsformaten diskutiert werden. So werden auch regionale Vordenker aus unterschiedlichen Bereichen wie Landwirtschaft, Bildung, Klima- und Naturschutz, Gemeinwohl-Ökonomie und Kunst auf die Bühne geladen, um ihre Geschichten vom „anders tun” und „anders sein” zu erzählen. Eine informative Wanderung mit dem Nenzinger Gemeindearchivar Thomas Gamon zu den „Heubargen” auf der Galätscha bildet dazu einen spannenden Kontrast und eine Brücke zur Vergangenheit. Die beeindruckende Naturkulisse und der Ausblick auf die Walgaugemeinden sollen ebenfalls das Ihre zu einem ganz besonderen Festival-Erlebnis beitragen. „Wenn dieses Konzept ankommt, möchten wir jedes Jahr ein Festival auf dem Kultursteg organisieren”, hoffen Isabella Marte und Daniela Jochum, dass ihr Programm Entwicklungen in Gang setzt und nachhaltig begeistert. Ihr Ziel ist eine langfristige Belebung und Internationalisierung des kulturellen Lebens in der Region. „Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass sich Zukunfts-Visionen für ein gemeinsames Leben im ländlichen Raum diskutieren und auch verwirklichen lassen.” 

Schon kurz vor der offiziellen Vereins-Gründung im November 2020 holten sie im Rahmen von „Kultur im Jetzt” das Pariser Ensemble Tà Panta Rheî ins Land, um trotz Corona-Lockdown Kulturerlebnisse bieten zu können. Insgesamt rund 70 Interessierte harrten Mitte Oktober bei frostigen Temperaturen auf den Dorfplätzen von Ludesch, Frastanz und Nenzing aus, um ihre Inszenierung zur „Pest im Walgau” zu verfolgen. Weitere Aufführungen sind nun von 17. bis 19. Juni in Göfis (bugo), Bludesch (Krone) und am Rönser Kirchplatz angesagt. Andreas Simma und Adriana Salles sind international gefragte Schauspiellehrer. Sie arbeiten mit Elementen und Masken der Commedia dell‘arte und verbinden diese mit zeitgenössischem Körper- und Tanztheater zu einer modernen Interpretation des Straßentheaters. Die begeisterten Mimen freuen sich bereits darauf, unter den ersten zu sein, welche die Möglichkeiten des Kulturstegs Walgau testen. Im Rahmen des „dinna-dussa-Festivals” geben sie ihr Stück „IdiotEn” – frei nach Dostojewski – zum Besten und leiten auch andere Interessierte im Workshop zum Theaterspiel an.

Wer sich ausprobieren möchte, erhält außerdem bei einem Mal-Workshop mit Helmut Schlatter von der Artenne Nenzing, beim Freien Singen mit Mia Luz, beim Schreibworkshop von Daniela Egger oder beim 5 Rhythmen-Tanz mit Anna Schricker kreative Möglichkeiten aufgezeigt. Am Samstag sind die Festival-Besucher zudem dazu aufgerufen, an einer Installation mitzuwirken, welche die Textilkünstlerinnen Dorothea Rosenstock und Franziska Stiegholzer aus Material „vo dussa” und Fundstücken aus der Umgebung direkt am Kultursteg umsetzen möchten.

Es lohnt sich aber nicht nur an den vier Festival-Tagen, auf der Galätscha vorbeizuschauen. Weil der Auf- und Abbau des mobilen Stegs doch einiges an Aufwand mit sich bringt, haben Isabella Marte und Daniela Jochum weitere Veranstalter ins Boot geholt, welche den Kultursteg als Plattform für ihre Aktivitäten nutzen. So hat etwa das Artenne-Team am 20.  und 21. August die CD-Präsentation von „Brainfisch” sowie ein Konzert von Harry Marte und Band beziehungsweise der Blue Monday Blues Band auf die Galätscha verlegt. 

Ab sofort ist jedenfalls Daumendrücken angesagt, dass das Wetter mitspielt. Denn bei Regen muss der „Glorious Summer” in den Ramschwagsaal beziehungsweise in die Artenne verlegt werden.

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