Die Puppenspielerinnen

„Unser Publikum wächst nach”, lachen Saskia Vallazza und Sabine Hennig. Die Südtirolerin und die Dresdnerin haben sich vor 22 Jahren im Walgau gefunden. Seither bezaubern sie ihr junges Publikum mit poetischen Geschichten, fantasievollen Figuren und mitreißendem Spiel.

FOTOS: TM-HECHENBERGER, CHRISTA ENGSTLER, LANDESTHEATER, SABINE HENNIG

„Kinder lassen sich noch faszinieren – auch ohne viel Technik, mit ganz einfachen Mitteln,” sind Saskia Vallazza und Sabine Hennig überzeugt. Mit vier Händen, zwei Stimmen, Musik, Licht und Geräuschen schaffen sie auf der Bühne die Illusion lebendig gewordener Figuren. Und die Kinder sind sichtlich gebannt, hängen den Puppen an den Lippen. Die Person hinter der Figur blenden sie vollständig aus. Mitte April öffnete sich im Gemeindehaus Nüziders erstmals der Vorhang für das neueste Stück „Morgenstern und Mondendinge”. Als Charlott und Caroline im rot geblumten Kleid reisen die beiden „Morgensternianerinnen” per Luftschiff zur Erde. Im Gepäck haben sie jede Menge Reime – von Christian Morgenstern natürlich -, ein Socken strickendes Eichhorn, ein Mondschaf, Schlittschuh fahrende Enten, rote Musik und vieles mehr. Die Kinder schütteln sich vor Lachen, wenn Charlott Caroline allerlei Arbeiten aufträgt und diese stets nachfragt: „Bin ich denn nun auch dafür zuständig?” Prompt kommt da ein „Aber selbstverständlich, meine Liebe” zurück. Beim dritten Mal wartet das junge Publikum bereits auf diesen Satz und freut sich sichtlich, dass sich die Rollenverteilung gegen Ende des Stücks umdreht. 

Die „Zauberflöte” wurde als Schattenspiel inszeniert.

„Unser Anliegen ist es, im kleinen Rahmen literarische Vorlagen, Märchen und Geschichten für Kinder zugänglich und erfahrbar zu machen”, erklären die Frauen. Der Flug vom Morgenstern zur Erde liefert nur den Rahmen für die Gedichte von Christian Morgenstern, welche die beiden mit Schattentheater und Puppenspiel in Szene setzen. Auf diese Weise haben sie etwa auch schon den „Zauberer von Oz”, Michael Endes Klassiker „Lenchens Geheimnis”, Andersens „Däumelinchen”, Mira Lobes „Bimbulli” oder Mozarts „Zauberflöte” auf die Bühne gebracht. 

Szenze aus „Bimbuli”

Um den Inhalten der Geschichten gerecht zu werden, suchen die Puppenspielerinnen immer neue Mittel und Wege im Hinblick auf das Material, die Spielweise und die Figuren. Jedes Stück hat eine andere Atmosphäre. „Da staunen die Leute oft”, freuen sich die beiden Frauen, wenn es ihnen wieder einmal geglückt ist, ihr Publikum zu überraschen. Dafür scheuen sie keinen Aufwand. Sie tüfteln an der Geschichte, bis der „rote Faden” passt, fertigen Figuren, die bis ins Detail liebevoll ausgestattet sind, nähen Kostüme, probieren Licht­effekte aus, gestalten das Bühnenbild, spielen Musik ein und verwerfen diese wieder… Fürs „Feintuning” ziehen sie immer einen Regisseur bei, der dem Stück den letzten Schliff verleiht, die Puppenspielerinnen bei ihrem Spiel anleitet, Mimik und Gestik prüft. In „Morgenstern und Mondendinge” ist dies der in Feldkirch aufgewachsene Christoph Bochdansky. So vergeht meist ein Jahr, bis ein neues Stück erstmals aufgeführt wird.

Der Hofstaat aus Andersens „Die Nachtigall”.

„Glücklicherweise kommen unsere Geschichten nicht aus der Mode”, können Saskia Vallazza und Sabine Hennig immer wieder einmal auf ein altes Stück zurückgreifen. Inzwischen haben sie schon zehn verschiedene im Repertoire. 

Daneben arbeiten sie als Theaterpädagoginnen direkt mit Kindern – mit Schulklassen etwa oder in Ferien-Workshops. „Das ist unglaublich spannend,” beobachten die beiden, wie sich etwa Klassenkameraden oder Schüler und Lehrer ganz neu begegnen. Manch einer, der sich sonst im Hintergrund hält, glänzt plötzlich im Rampenlicht. Beim Schauspiel lernen die Kinder ihren Körper kennen, müssen auf andere reagieren und auf sie schauen, entdecken Talente. Das Knowhow für solche Prozesse haben sich die beiden kreativen Frauen im Rahmen einer Theaterpädagogik-Ausbildung in den Jahren 2009 bis 2011 geholt. Das kreative Duo ist inzwischen im ganzen Land gefragt. 

Bei der ersten Begegnung führte der Zufall Regie

Bei ihrem ersten Zusammentreffen führte aber der Zufall Regie. Weil sie neben drei kleinen Kindern ohne Oma nur wenig Möglichkeiten sah, wieder einem Beruf nachzugehen, meldete sich Sabine Hennig spontan, als sie den Zettel „Suche Mitspielerin” an der Türe des Ludescher Kindergartens entdeckte. Ihr Mann hatte in der Region einen Job angenommen. Deshalb war die Sonderpädagogin aus Dresden in Vorarlberg gelandet. „Kindertheater hatte in der DDR einen großen Stellenwert”, erzählt sie. „Da wurden keine Kosten und Mittel gescheut. War ja alles staatlich finanziert, da musste man nichts verkaufen. Für Schauspieler war es eine Ehre, vor Kindern aufzutreten.” Die Idee, bei so etwas mitzumachen, gefiel ihr. 

Saskia Vallazza entwickelt alle Figuren selbst und stellt sie mit viel Liebe zum Detail aus verschiedensten Materialien her.

Saskia Vallazza kommt aus dem Grödnertal. Als sie an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart Malerei und Grafik studierte, lernte sie ihren Mann Christoph kennen. Sie folgte ihm 1995 in seinen Heimatort Thüringen, wo bald auch die gemeinsame Tochter zur Welt kam. Schon vor dieser Zeit hat Saskia Vallazza erste Stücke entwickelt. Sie hatte entdeckt, dass sie die plastische Arbeit mit verschiedenen Materialien mehr interessiert als das reine Malen und Zeichnen. So nahmen die Geschichten plötzlich Gestalt an, die sie ursprünglich nur illustrieren wollte. Weil ihr zudem die Musik sehr am Herzen liegt, war es die Zauberflöte, welche sie als erstes für Kinder „aufbereitete”. 

Das Figurentheater bietet Saskia Vallazza und Sabine Hennig die Möglichkeit, verschiedenste Talente auszuleben. „Wir können alles ein bisschen”, geben sie gerne zu. 1996 haben sie gemeinsam „Il segreto di pulcinella” gegründet. Der Name für ihre Puppenbühne war rasch gefunden. Denn Saskia war schon als Kind fasziniert von der Figur der Pulcinella – einer Art Hanswurst aus der Commedia dell‘Arte. „Das Geheimnis der Pulcinella ist in Italien ein Geheimnis, das eigentlich alle kennen, aber so tun, als wäre es streng geheim”, verraten die beiden schmunzelnd.

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