Eisvogel

Meisterfischer, Fliegender Edelstein, blauer Blitz, Königsfischer – das sind nur ein paar der wohltönenden Namen, mit denen der farbenprächtige Eisvogel bedacht wird. Strenge Winter und der Drang des Menschen, sich die Natur „passend” zu machen, gehören zu den größten Herausforderungen des geschickten Fischers.

FOTOS: GERALD SUTTER, ENVATO ELEMENTS

Eisvögel sind Einzelgänger. Sie sitzen meist alleine  und völlig ruhig auf einem weit herabhängenden Ast über einem Gewässer, um sich plötzlich kopfüber schräg nach unten in die Fluten zu stürzen und bis zu einen Meter in die Tiefe zu tauchen. Dann kann man sicher sein, dass gerade appetitliche Beute vorbei geschwommen ist. Kaulquappen, Wasserinsekten und vor allem Fische stehen bei dieser Art auf dem Speiseplan. Wobei der nur gut 16 Zentimeter große Vogel ordentlichen Appetit an den Tag legt. Mit seinem langen, spitzen Schnabel holt er bis zu neun Zentimeter lange Fische aus dem Wasser. Er schlägt diese kräftig auf eine feste Unterlage – einen dicken Ast oder eine Wurzel – oder schüttelt sie so lange, bis sie zu zappeln aufgehört haben. Weil sich die Schuppen sträuben würden, wenn der Fisch falsch herum liegt, dreht der Eisvogel die Beute fachkundig in die richtige Position, damit sie den Schlund kopfüber – möglichst geschmeidig ­– passieren kann. Dann verschluckt er den Fisch mit einem Bissen. Unverdauliche Fischknochen würgt der kleine Vielfraß ein bis zwei Stunden nach der Mahlzeit wieder hoch und spuckt sie aus. 

Johanna Kronberger aus Sulz engagiert sich seit vielen Jahren als Obfrau von BirdLife Vorarlberg für den Schutz der Vogelwelt. Die begeisterte Ornithologin hat in Innsbruck und Wien Naturschutz und Biodiversität studiert.

„Der Eisvogel ist ein guter Indikator dafür, ob ein Gewässer naturnah ist und die Wasserqualität stimmt”, erklärt Ornithologin Johanna Kronberger. Er ist nämlich auf klare Sicht unter Wasser, entsprechendes Nahrungsangebot und ein abwechslungsreiches Steilufer angewiesen, in das er seine Bruthöhlen buddeln kann. 

Er siedelt sich deshalb an sauberen, stehenden oder langsam fließenden Gewässern mit Flachwasserzonen und einem Uferbewuchs mit überhängenden Ästen an, in denen sich Jungfische aufhalten. Johanna Kronberger beobachtet immer wieder fasziniert, wie gut getarnt der kleine Vogel trotz seines leuchtenden Gefieders ist. An Kopf und Rücken wechselt seine Farbe je nach Lichteinfall von Türkis bis Blau und verschwimmt – von oben betrachtet – mit dem Himmel, während die Erdtöne am Bauch sich vom Boden aus zwischen den Zweigen nur schwer ausmachen lassen. Im Wechselspiel von Licht und Schatten in dichtem Uferbewuchs ist er dadurch kaum zu entdecken. „Am ehesten bemerkt man ihn aufgrund seines markanten Rufs, das an einen durchdringenden Pfiff erinnert”, weiß Johanna Kronberger.

Bruthöhlen tief im Erdreich

Das Eisvogel-Nest sucht man ohnehin vergeblich. Denn die Jungvögel werden im Dunkeln großgezogen. Mit vollem Körpereinsatz – der Schnabel dient als Hacke und Grabwerkzeug, mit den Krallen wird gescharrt und mit dem Schwanz die lose Erde verschoben – buddelt das Elternpaar eine bis zu 90 Zentimeter lange, horizontal verlaufende Röhre in steile Uferwände. Diese Bauarbeiten können je nach Untergrund in wenigen Tagen erledigt sein oder bis zu einen Monat dauern. Ganz am Ende erweitert sich die Röhre zu einer Bruthöhle, in deren Innenausstattung die Bauherren keinerlei Energie investieren. Dort legt das Weibchen von Ende März bis in den August zwei bis drei, manchmal sogar vier Mal sechs bis acht reinweiße, nur 4,4 Gramm schwere Eier ab. Das Vogelpaar führt in dieser Zeit eine monogame Brutehe, die mit dem Flüggewerden des Nachwuchses endet. 

Bevor sie wieder auseinander gehen, müssen die Vogeleltern aber einiges leisten. Weibchen und Männchen sitzen drei Wochen lang abwechselnd auf den Eiern – oft füttern sie noch die Jungvögel der ersten Brut, während sie bereits die nächsten Eier bebrüten. 23 bis 27 Tage lang dürfen die Nestlinge auf die Fürsorge ihrer Eltern vertrauen. 

Jungvögel erkennt man an den „dreckigen“ Füßen, während die Beine geschlechtsreifer Eisvögel
leuchtend orange gefärbt sind. Bei den Weibchen ist die Schnabelunterseite rot gefärbt, der Schnabel des Männchens ist hingegen durchgehend schwarz. Beim Liebeswerben bietet das Männchen dem Weibchen leckeren Fisch an.

Wenige Stunden, nachdem sie das Nest verlassen haben, gehen die Jungvögel bereits wie die Älteren auf Fischfang. Ab diesem Zeitpunkt sind sie auf sich alleine gestellt und müssen ein eigenes Revier erobern, aus dem die Männchen Artgenossen mit Nachdruck vertreiben. Auf der Suche nach geeignetem Lebensraum kommen die Jungvögel weit herum. Ab und an lassen sie sich sogar an Gartenteichen nieder.

Strenge Winter, in denen das Wasser zufriert und die geschickten Fischer von ihrer Nahrungsquelle abschneidet, sowie starke Regenfälle und  Hochwasser, welches die Bruthöhlen überflutet und das Wasser eintrübt, sorgen dafür, dass knapp achtzig Prozent des Nachwuchses das erste Jahr nicht überleben. Wenn Wassertropfen am Gefieder gefrieren, sind die Vögel ebenfalls dem Tod geweiht.

Im Land kurzfristig ausgestorben

„Nachdem der Bodensee 1963 zugefroren war, galt der Eisvogel im Land kurzfristig als ausgestorben”, weiß Johanna Kronberger. Es dauert meist viele Jahre, bis sich die Art von einem solchen Ereignis erholt. Heute steht der Eisvogel in Vorarlberg auf der Roten Liste gefährdeter Brutvögel. 

Der Walgau weist aktuell einen relativ konstanten Bestand auf. Der exotisch anmutende Fischer ist etwa in der Frastanzer Au oder in Satteins am Sägebach zu erspähen. Laut Aufzeichnungen im Vorarlberger Brutvogelatlas leben in ganz Vorarlberg zumindest zehn bis zwölf Brutpaare.

Natürliche Feinde hat der Eisvogel kaum, weil er pfeilschnell  abtaucht, wenn er etwa ins Visier eines Greifvogels gerät. „Es wird für ihn allerdings immer schwieriger, geeignete Brutplätze zu finden”, weist die Obfrau von BirdLife Vorarlberg hin. „Immer mehr Ufer werden befestigt, verbaut und begradigt. Man muss sich nur Fotos der Ill anschauen. Auf alten Luftaufnahmen ist der mäandrierende Verlauf noch deutlich zu erkennen, während der Fluss heute relativ geradlinig durch die Landschaft fließt.” Durch eingeleitete Chemikalien und Dünger aus der Landwirtschaft leiden die Fischbestände und damit auch der Eisvogel. Johanna Kronberger hofft deshalb, dass der Mensch bei seinen Eingriffen wieder mehr darauf achtet, welche Auswirkungen sein Tun auf andere Lebewesen hat. Dann kann auch dieser Exot der heimischen Vogelwelt bei uns weiterhin überleben.


 

Eisvogel (Alcedo atthis)

Der Eisvogel wird 16 bis 18 Zentimeter groß, ausgewachsene Tiere wiegen 35 bis 40 Gramm. Der lange, dolchartige Schnabel macht beinahe ein Viertel seiner gesamten Körperlänge aus. Der Eisvogel ist über weite Teile Europas, Asiens, Nordafrikas und sogar Australiens verbreitet. In Gegenden, in denen die Gewässer über längere Zeit völlig zufrieren, Hochgebirgsregionen und Wüsten sucht man ihn allerdings vergeblich. Weltweit gibt es 90 verschiedene Eisvogelarten, besonders viele in den Tropen. Alle sind immer ausgesprochen bunt.


 

Wie der Eisvogel zu seinem Namen kam

– Darüber scheiden sich die Geister. Die meisten Wissenschaftler sind der Meinung, dass er sich vom althochdeutschen Wort „eisan” ableitet, das so viel wie „schillernd, glänzend” bedeutet.Andere glauben, dass der Eisvogel ursprünglich „Eisenvogel” genannt wurde, weil er oben stahlblau und unten rostrot gefärbt ist. 

Der lateinische Name „Alcedo” geht auf das griechische „Halkyon” zurück, was mit „die auf dem Meer Brütende” übersetzt werden kann. Den Ursprung dieser Bezeichnung ortet die Wissenschaft in der griechischen Mythologie. Laut einer antiken Sage trauerte die Witwe Alkyone nämlich derart um ihren verstorbenen Gemahl Keyx, dass sich einer der Götter erweichen ließ und beide in Eisvögel verwandelte. Von da an trug die Vogelhenne jedes Jahr an den „halkyonischen Tagen” – also den 14 windarmen Tagen im Dezember – ihren Gatten zu Grabe. Sie baute ein Nest, ließ es auf den Wellen treiben und brütete dort ihre Küken aus. Lange Zeit ging man tatsächlich davon aus, dass der Eisvogel sein Nest im Wasser treiben lässt. 

Eine französische Sage liefert eine hübsche Erklärung für das leuchtendbunte Gefieder des Eisvogels. Dieser soll nämlich ursprünglich grau gefärbt gewesen sein. Noah habe ihn einst von der Arche aus der Taube nachgeschickt, um zu prüfen, ob sich die Sintflut zurückgezogen hat. Bei diesem Erkundungsflug musste er einem Sturm ausweichen und flog so hoch, dass sein Gefieder oben die Farbe des Himmels annahm und an der Unterseite von der Sonne rot gebrannt wurde. Als der kleine Bote Bericht erstatten wollte, konnte er die Arche nicht mehr finden. Er sucht deshalb laut dieser Sage heute noch die Gewässer ab.

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