Im Tomaten-Paradies

In zwei ausgedienten Glashäusern experimentieren Jürgen Marcabruni und Georg Müller mit mehr als 80 verschiedenen Tomaten- und rund 70 Chili-Sorten sowie jeder Menge anderem Obst und Gemüse. Das kann passieren, wenn einer im kühlen Thüringen unbedingt Feigen ernten will….

Mit zwanzig Feigenbäumen hat alles begonnen.

Jürgen Marcabruni (li.) und Georg Müller sind stolz auf ihre Feigenernte.
Jürgen Marcabruni (li.) und Georg Müller sind stolz auf ihre Feigenernte.

„Georg, ich brauche einen Feigenbaum.” Jürgen Marca­brunis Begeisterung kannte keine Grenzen, als er vor sechs Jahren zusammen mit Gärtnermeister Georg Müller in Wien-Simmering einen Bio-Feigenhof besuchte. Dort wurde aber auch schnell klar: Im Vorarlberger Klima wird die Ernte im Freien nicht allzu üppig ausfallen und wohl auch nicht so gut schmecken wie die Feigen im sonnigen Süden. Doch Georg Müller wusste Rat. „Dann räumen wir halt die alte Gärtnerei aus.” Die beiden Gartenbau-Betriebe, die Georg und sein Bruder Markus Müller (Ideengärtnerei Müller) in Thüringen in enger Zusammenarbeit betreiben, waren 1999 an einen zentraleren Standort an der Walgaustraße übersiedelt, da es mitten im Siedlungsgebiet zu eng wurde. Zurück blieben zwei verwaiste Glashäuser, die sich über die Jahre mit allerlei wenig genutzten Gegenständen füllten.
Die angehenden Feigen-Züchter krempelten also die Ärmel hoch, räumten eines der beiden Glashäuser aus und brachten alles in Schuss. Wenige Wochen später fuhr Georg Müller mit seinem Pkw nach Wien – und kehrte vollgepackt mit zwanzig verschiedenen Feigenbäumen nach Vorarl­berg zurück. Anfangs sahen die kleinen Bäume im großen Glashaus etwas verloren aus. Georg Müller und Jürgen Marcabruni füllten deshalb die Lücken mit Tomatenpflanzen und Wintergemüse – und damit begann ihre Passion.
„Zeitweise stöhnen unsere Frauen auch schon mal, wenn sie unsere Ernte verarbeiten sollen”, bekennen die beiden. Denn ihr „Selbstversorger-Garten” hat sich auf das zweite und ein weiteres – noch in Bau befindliches – Glashaus sowie auf die dazwischenliegenden Felder ausgedehnt.

Auch Auberginen gedeihen unter dem schützenden Glasdach.
Auch Auberginen gedeihen unter dem schützenden Glasdach.

Aus Überzeugung, dass viel mehr als gedacht bei uns möglich ist, werden die Glashäuser nicht geheizt. Trotzdem gedeihen wärmeliebende Feigen wie auch Physalis, Chili, Auberginen und vieles mehr in großer Fülle. Das Geheimnis dahinter ist kein „Wunderdünger”, sondern ganz besonderer Kompost. Die beiden Selbstversorger haben nämlich zahlreiche Kurse und Vorträge besucht, sich auf verschiedensten Wegen weitergebildet. Dabei sind sie auf die Kompostierung nach der Lübke-Methode gestoßen. Diese ist zwar aufwendig und hat mit der „sonst üblichen Abfallreduzierung” im Garten absolut nichts zu tun. Das Ergebnis ist aber eine Erde, welche die Pflanzen mit allem versorgt, was sie brauchen. Zudem kann dieser Kompost viel mehr Wasser aufnehmen. „Würden mehr Menschen ihre Böden mit solchem Kompost aufwerten, wäre dies der beste Hochwasserschutz”, ist Georg Müller überzeugt. Von Komposterde, die in Plastik verpackt zum Verkauf angeboten wird, hält der Gärtnermeister sowieso nichts. „Mikro­organismen sind Lebewesen, die können darin nicht überleben.” In Vorträgen und Workshops wirbt er deshalb dafür, dass sich auch in Vorarlberg Nachbarn zusammentun, um gemeinsam wirklich hochwertigen Kompost als Basis für ihre Garten-Erfolge zu erzeugen. Dafür müssen Grünmüll, Äste und Mist sorgfältig fermentiert, die Temperaturen im Inneren der Kompostmiete regelmäßig überprüft und Mikroorganismen gefördert werden. „Zusammen funktioniert das auch im Kleinen”, ist Georg Müller überzeugt. „Ich bin jetzt 35 Jahre Gärtner und hatte nie gesündere Pflanzen.”

„Es liegt allein am Boden, ob Pflanzen gesund sind.”
„Es liegt allein am Boden, ob Pflanzen gesund sind.”

Bei ihren Recherchen sind Georg Müller und Jürgen Marcabruni auf viele Gleichgesinnte gestoßen. „Während es in den Aufschwung-Jahren nach dem Krieg ein Luxus war, die Nahrung nicht mehr selbst anbauen zu müssen, ist es jetzt genau umgekehrt”, haben sie erkannt. Immer mehr Menschen wünschen sich Nahrungsmittel, deren Herkunft sie kennen, die ohne chemische Hilfsmittel produziert wurden. Sie sind deshalb erpicht darauf, ihr Wissen weiterzugeben, weiterhin zu experimentieren und sich mit anderen auszutauschen. In Vorarlberg sehen sie da jede Menge Bedarf. Schließlich wird im Ländle nur rund zehn Prozent des benötigten Gemüses vor Ort produziert. „Und biologisch erzeugtes Gemüse hat messbar mehr Mineralstoffe und Vitamine – vom Geschmack einmal ganz abgesehen.”

Das neue Glashaus haben die beiden deshalb auf Schienen gesetzt. Wenn die wärmeliebenden Pflanzen abgeerntet sind, wollen sie die mit Folie umkleidete Konstruktion nämlich über das robustere Feldgemüse schieben können und so auch im Winter frischen Salat und andere Vitaminbomben ernten. Noch sind die Seitenverkleidungen nicht fertig, ist noch einiges zu tun.

„Uns geht es um die Vielfalt.”
„Uns geht es um die Vielfalt.”

Doch die beiden freuen sich bereits auf ihr Wintergemüse. Das ist Anreiz genug, um nicht lockerzulassen.
Jürgen Marcabruni und seinem „Lehrmeister” geht es aber auch um Vielfalt. Deshalb haben sie etwa im „Tomatenhaus” 80 verschiedene Sorten gepflanzt. Jeweils drei Stück einer Sorte, damit sie das Wachstum nicht nur an einer einzelnen Pflanze beurteilen müssen. Fünf bis sechs Mal pro Sommer öffnen sie ihre Glashäuser für ganz besondere „Events”. „Geschmackserlebnis Tomate” lautet dann etwa das Motto. „Probieren ist erwünscht”, erklären die beiden Gemüsegärtner, „jeder soll seine Lieblingssorten herausschmecken.” Was man mit Tomaten alles anstellen kann, zeigt dann Meisterkoch Hermann Kölly, der sich für diese Events immer ein paar ganz besondere, zum Teil ausgefallene Genüsse einfallen lässt. In den letzten Wochen haben sich bereits viele Besucher von der geschmackvollen Tomaten-Vielfalt überzeugt.

Alle, denen es nicht scharf genug sein kann, sollten sich im September Zeit nehmen, die 70 verschiedenen Chili-Sorten kennenzulernen. Interessierte finden alle Termine unter www.ideengaertnerei.at.

Chilis gibt es in unterschiedlichsten Farben und Formen und natürlich in allen Schärfegraden.
Chilis gibt es in unterschiedlichsten Farben und Formen und natürlich in allen Schärfegraden.

Gärtnermeister Georg Müller wird oft darauf angesprochen, dass er nach einem Arbeitstag in der Gärtnerei auch seine Freizeit im Glashaus verbringt. Doch für ihn ist dieser private Gemüsegarten ein Rückzugsort, der ihn einmal vor dem Pensionsschock bewahren wird. „Hier diskutieren wir über Gott und die Welt”, ist auch Jürgen Marcabruni mit Leidenschaft dabei. Auf die Arbeit hat man nicht immer Lust. „Doch wenn wir dann gemeinsam mit unseren Frauen Mais rebeln, Knoblauch schälen, einkochen und immer neue Ideen entwickeln, was wir aus dem vielen Gemüse herstellen können, dann wird es jedes Mal ein schöner Abend. Das ist doch ganz etwas anderes, als wenn wir vier vor dem Fernseher sitzen würden.”  Eine gemütliche Weinlaube mit großem Holztisch gibt es im Glashaus übrigens auch…

Auch so kann eine Tomate aussehen.
Auch so kann eine Tomate aussehen.

Für Gruppen bieten Jürgen Marcabruni und Georg Müller auch individuelle Workshops, Führungen und Verköstigungen an. Interessierte können sich unter Tel: 0664/3422232 oder per E-Mail: georg.mueller@ideengaertnerei.at an Georg Müller wenden.


FOTOS: TM-Hechenberger

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