Ursprünglich wollten Simon Burtscher und Lukas Battisti den 3D-Druck nutzen, um ihre Abschlussarbeiten perfekt präsentieren zu können. Die Möglichkeiten, die sich ihnen auftaten, faszinierten die beiden Architekten aber bald derart, dass sie sich bis heute völlig auf diese Technologie konzentrieren.
FOTOS: LEANDER R. PRAXMARER, TM-HECHENBERGER
Nicht jeder ist in der Lage, einen Plan so zu lesen, dass vor seinem inneren Auge ein Bild des geplanten Bauwerkes entsteht. Architekten investieren deshalb seit jeher viel Zeit in verschiedenste Arten der Visualisierung, um ihre Ideen auch Laien verständlich zu machen. Modelle, die früher mühselig aus Pappe und Holz gebastelt wurden, spucken heute 3D-Drucker aus – und das auf Wunsch auch noch mit vielen Details. Lukas Battisti und Simon Burtscher waren 2016 gerade im Finale ihres Architektur-Studiums, als sie sich in ihrer Heimatstadt Bludenz in eine Ateliergemeinschaft einmieteten, um ihre Abschlussarbeiten in einem kreativen Ambiente fertigzustellen. Sie kauften sich dazu einen 3D-Drucker und begannen zu tüfteln. Denn es ist keineswegs so, dass der Drucker automatisch perfekte Modelle produziert. Das Ergebnis ist nur so gut wie die Daten, die im Computer erfasst wurden.
Die müssen oft mühselig zusammengetragen und aufbereitet werden. Genau dafür bleibt aber bei den Planungsprozessen oft wenig Zeit. Das wurde den beiden Bludenzern rasch klar, als nach und nach andere Architekten bei ihnen anfragten, die – oft unter Zeitdruck – noch schnell ein 3D-Modell ausdrucken lassen wollten, um etwa bei Wettbewerben damit zu punkten.
Die beiden Freunde aus Jugendtagen, die schon gemeinsam die Schulbank am Bludenzer Gymnasium gedrückt und während des Studiums in Innsbruck in derselben Wohngemeinschaft gelebt haben, beschlossen 2020, ihren Architekten-Kollegen das mühselige Zusammentragen der Gelände- und Vermessungsdaten sowie anderer Parameter abzunehmen und sich ganz auf die 3D-Druckerei einzulassen. Ihre Firma „Blueprint Studio” in der Bludenzer Sturnengasse produziert seither vor allem Architektur-Modelle. Aber auch Auftragsarbeiten für Künstler oder Privatleute werden mit Sorgfalt erledigt. Manchmal laufen bis zu fünf Drucker gleichzeitig.
Einblick in unterschiedlichste Projekte
„Nicht alles lässt sich so leicht drucken”, wissen die beiden Tüftler. Dann aber eine Lösung zu finden, macht für sie den besonderen Reiz aus. Wenn sie einen neuen Drucker anschaffen, wird der zuerst in seine Einzelteile zerlegt und dann so zusammengebaut, dass er für ihr Anwendungsgebiet optimale Ergebnisse liefert. Dieses Wissen haben sich die beiden in unzähligen Stunden des Recherchierens und Herumprobierens angeeignet. Gedruckt wird mit einem biologisch abbaubarem Kunststoff, den eine Vorarlberger Firma produziert. Auch das ist den beiden wichtig. Der benötigte Werkstoff soll schnell verfügbar sein. Außerdem legen sie nicht nur bei ihren Kunden, sondern auch bei ihren Lieferanten Wert auf einen persönlichen Draht.
Ihre Kunden sind vor allem Architekten und zunehmend auch Gemeinden im Land. Simon Burtscher und Lukas Battisti genießen es, dass sie durch ihre Druck-Dienstleistung spannende Einblicke in unterschiedlichste Projekte erhalten. Das Wissen, das sie sich während ihres Studiums angeeignet haben, kommt ihnen zugute, wenn es dann darum geht, die Entwürfe für den Drucker korrekt aufzubereiten. Schließlich sprechen sie dieselbe Sprache wie die Planer, die oft unterschiedlichste Vorstellungen von ihrem 3D-Modell haben.
Der intensive Austausch mit den Kunden und eine gewissenhafte Vorarbeit erspart einiges an Ärger. Davon sind Lukas Battisti und Simon Burtscher überzeugt. Ist der Druckvorgang einmal gestartet, kann nämlich nichts mehr korrigiert werden. „Bei größeren Projekten ist das dann ganz schön nervenaufreibend.” Die Drucker laufen schließlich oft tagelang durch. Als sie den Bludenzer Schlossplatz mit sämtlichen Gebäuden nachbauten, liefen die Geräte sogar eine ganze Woche lang durch. Da ist es von Vorteil, dass der Morgenmensch Simon darauf vertrauen kann, dass „Nachteule” Lukas auch abends noch im Büro ist, um die Drucker zu überwachen. „Das Büro ist unser zweites Wohnzimmer”, lachen die beiden. Sie haben Spaß an ihrer Arbeit und freuen sich über die Gemeinschaft mit den anderen Kreativen, die in der Ateliergemeinschaft malen, grafische Dienstleistungen anbieten und fotografieren. „Es ist wichtig, dass man sich austauschen kann”, wissen die beiden Geschäftspartner auch die Stärken des jeweils anderen zu schätzen. „Alleine hätte das keiner von uns durchgezogen.” Weil die dreidimensionale Umsetzung genügend Nervenkitzel und Herausforderungen bietet, geht aktuell keinem der beiden „Blueprinter” das eigentliche Entwerfen ab. Sie freuen sich, dass sie durch Mundpropaganda bereits einige Stammkunden gewinnen konnten.
3D-Modell ermöglicht verschiedenste Blickwinkel auf Bauvorhaben
Die Gemeinde Ludesch gehörte zu den allerersten, die auf die beiden Bludenzer vertrauten. Im Dienstleistungszentrum Blumenegg, das sämtliche Bauverfahren in Ludesch, Thüringen und ab Jänner 2023 auch in Bludesch abwickelt, steht ein drei Meter langes Modell, das die Einfahrt an der Grenze zu Thüringen und den Ludescher Ortskern im Maßstab 1:500 abbildet. Das Besondere daran: Die Grundstücke mit den bestehenden Bebauungen wurden einzeln ausgedruckt, sodass der Ort wie ein Puzzle zusammengesetzt werden kann. „Wenn nun ein Grundstück bebaut werden soll, können wir ganz einfach ausprobieren, wie verschiedene Baukörper sich in das Gelände und die bestehende Bebauung einfügen”, erklärt die Obfrau des Bauausschusses, Vizebürgermeisterin Mag. Heike Hartmann. Mit dem ehemaligen Gasthof Hirschen ist im Frühjahr 2020 ein sehr prägnantes Gebäude an der Walgaustraße abgebrannt, für mehrere benachbarte Grundstücke ist eine Bebauung im Gespräch beziehungsweise gibt es bereits Pläne. Zudem soll die Straßenführung an dieser Stelle am Ortseingang langfristig verbessert werden, um speziell die Verkehrsanbindung des Großen Walsertales zu vereinfachen. Langfristig wird sich in diesem Bereich also eine völlig neue Siedlungsstruktur entwickeln, an die der gewachsene Ortskern unmittelbar anschließt.
Diese Entwicklung will die Gemeinde nicht dem Zufall überlassen. „Das Modell hilft uns, vorausschauend zu planen und auch die Auswirkungen eines Bauprojektes im Kontext zur Umgebung besser beurteilen zu können”, freut sich Mag. Hartmann über die neuen Möglichkeiten. Der Blick aus verschiedensten Perspektiven ermöglicht Planern und politisch Verantwortlichen, die Dimensionen besser einschätzen zu können, Sichtachsen und Geländeneigungen können mitberücksichtigt werden. „Es ist entscheidend, wie ein Gebäude drinsteht”, begeistert sich die Ludescher Vizebürgermeisterin für das dreidimensionale Puzzlespiel. „Wir können das jetzt ganz einfach ausprobieren.” Nach diesen Erfahrungen wird die Gemeinde Ludesch also wieder die 3D-Drucker in der Sturnengasse zu Hilfe rufen, sobald an dieser oder an einer anderen neuralgischen Stelle ein Bauprojekt ansteht.