„Wir haben lange überlegt und viel gerechnet…”

1989 erbte Hildegard Schlatter das ehemalige „Marte-Haus” im Ortszentrum von Nenzing. Wenn sie damals gewusst hätte, was alles auf sie zukommt, hätte sie das Erbe wohl abgelehnt. Doch dank glücklicher Fügungen und des großen Engagements der ganzen Familie wurde nicht nur einer der letzten alten Höfe dieser Art im Walgau erhalten. Mit der Artenne ist außerdem eine ganz außergewöhnliche Kulturstätte entstanden.
1989 erbte Hildegard Schlatter das ehemalige „Marte-Haus” im Ortszentrum von Nenzing. Wenn sie damals gewusst hätte, was alles auf sie zukommt, hätte sie das Erbe wohl abgelehnt. Doch dank glücklicher Fügungen und des großen Engagements der ganzen Familie wurde nicht nur einer der letzten alten Höfe dieser Art im Walgau erhalten. Mit der Artenne ist außerdem eine ganz außergewöhnliche Kulturstätte entstanden.

1989 erbte Hildegard Schlatter das ehemalige „Marte-Haus” im Ortszentrum von Nenzing. Wenn sie damals gewusst hätte, was alles auf sie zukommt, hätte sie das Erbe wohl abgelehnt. Doch dank glücklicher Fügungen und des großen Engagements der ganzen Familie wurde nicht nur einer der letzten alten Höfe dieser Art im Walgau erhalten. Mit der Artenne ist außerdem eine ganz außergewöhnliche Kulturstätte entstanden.

Das sogenannte „Marte-Haus“ liegt im alten Ortszentrum, in unmittelbarer Nachbarschaft zum alten Gemeindeamt, zur Kirche und der Volksschule. Das Haus war Wohnort dreier Ortsvorsteher von Nenzing, zuletzt von Otto Marte. Nach dem Tod von Maria Marte (geb. Drexel) stand 1989 das Haus zum Erben an. Die junge Familie Schlatter mit zwei kleinen Kindern (damals vier und sieben Jahre alt) – Hildegard war Hausfrau, Helmut Lehrer an der Hauptschule – hatte gerade den Keller eines Reihenhauses in Feldkirch fertig gebaut, und musste sich entscheiden, ob sie dort weiterbauen, oder die 700 Quadratmeter Nutzfläche in Nenzing übernehmen sollten. Mit reparaturfälligem Dach. Und noch einigen Überraschungen, die sie damals noch nicht ahnen konnten.

Die Schlatters entschieden sich für Nenzing und zogen im Erdgeschoss des Bauernhauses ein. Sie hatten zwar bereits vor dem Übersiedeln „viel gerechnet“, allerdings noch nicht mit dem Kaminkehrer, der den Kopf schüttelte nach dem Versuch, den Kamin zu reinigen. Und auch nicht mit dem kopfschüttelnden Elektriker, der ihnen den Strom sperren musste, nachdem er die Leitungen und den antiken Stromkasten aus Holz inspiziert hatte.

Strom vom Nachbarhaus

Den ersten Monat im neuen Haus verbrachten die Schlatters also ohne eigenen Strom – eine einzige Stromquelle kam über eine Verlängerungsschnur aus dem Nachbarhaus quer über der Straße – und auch mehr oder weniger ohne Heizung, da das Haus über den zentralen Kachelofen in der guten Stube beheizt wird, und der Rauch durch den kaputten Kamin nicht abziehen konnte.

Nur die gute Stube ist beheizt

Das Wohnhaus ist aus Flusssteinen errichtet, bekommt heuer erstmals eine moderne Zentralheizung, kann jedoch nicht mit den heute üblichen Außen- oder Innendämmungen versehen werden, ohne die Substanz erheblich zu beschädigen. So beschränkt sich der Raum, in dem man sich im Winter hauptsächlich bewegt, wie in alten Zeiten auf die holzgetäfelte Stube, in der sich der Herrgottswinkel über der Eckbank und der große Kachelofen mit der Ofenbank befinden, die Küche und den daran angeschlossenen Essraum. Im Sommer hingegen wird die Stube selten genutzt, sie wirkt dann dunkel, kühl und wenig gemütlich. In der warmen Jahreszeit öffnet sich das Haus nach außen, es kommen der Garten und die Scheune ins Spiel. Die kühlen Innenräume sind die Vorzimmer zum Grünraum um das Haus.

„die schönste Zeit…“

Gemeinsam mit Künstler-Freunden öffnete Helmut Schlatter, selbst Künstler und Lehrer für bildnerische Erziehung, in den Sommerferien die geräumige Tenne und den Kuhstall als offenes Atelier, Arbeits- und Ausstellungsfläche.

Ein Name war schnell gefunden: die „Tenneale“ war von 1993 bis 1998 das jährliche Kunst-Happening in „Downtown Nenzing“. Es wurde gemeinsam gearbeitet, gekocht, gegessen, ein Gästezimmer war immer belegt, das Ganze wurde aus einer gemeinsamen Kasse finanziert, und dazwischen drin wuselten die Kinder, die sich ihrerseits von der Atmosphäre anstecken ließen, und eigene Kunstwerke entwarfen. 1994 veranstalteten sie den ersten künstlerischen Workshop für Kinder, ein roter Faden, der sich bis heute durchzieht.

Es war, sagen Helmut und Hildegard Schlatter einstimmig, „die schönste Zeit“: frei von Erwartungen und Druck, entstand aus der Gemeinsamkeit und als Teil des Alltags eine Form von kreativer Atmosphäre, die nicht geplant war und von niemandem gesteuert wurde. Und die nach einigen Jahren auch wieder an Spannung verlor. Zeit, eine Pause einzulegen und Energie zu sammeln für spätere Vorhaben.

Von der Tenneale zur Artenne

Ab 1996 arbeitete Helmut Schlatter für zwölf Jahre im Jüdischen Museum Hohenems und absolvierte eine 4-semestrige Ausbildung zum Kurator im Institut für Kulturwissenschaften in Wien. Zwischen 1998 bis 2004 wurden in der Artenne ausschließlich Sommer-Kinderworkshops abgehalten.

Mit „3 Positionen“ wurde 2004 mit Arbeiten der befreundeten Künstler Michael Mittermaier, Gerhard Priem und Alois Galehr eine neue Ära eingeläutet.

Ab 2005 folgten jährliche Ausstellungen, die der Kultursoziologe Bernhard Kathan gemeinsam mit Hildegard und Helmut Schlatter entwickelte, und die den Ort zum Thema hatten.

Ausstellung in der Artenne.

Unter dem Motto „Walgau sammeln” wurde ein Konzept für die Erfassung von Kulturgüter-Sammlungen in der Region erarbeitet.
Unter dem Motto „Walgau sammeln” wurde ein Konzept für die Erfassung von Kulturgüter-Sammlungen in der Region erarbeitet.

Sommerfrische im Himmel

Die Ausstellung „Sommerfrische im Himmel“ im Jahr 2009, über das von den Nenzingern innig geliebte Gamperdonatal war eine der erfolgreichsten Veranstaltungen der Artenne. Im Rahmen der Ausstellung wurden die Geschichte des Tals von der Alpnutzung bis hin zum Feriendorf aufgearbeitet, eine umfangreiche Materialsammlung aus privaten Quellen angelegt und Interviews mit zahlreichen ZeitzeugInnen geführt. Bildende Künstlerinnen und Künstler ließen sich vom „Himmel“ inspirieren. Begleitet wurde die „Sommerfrische“ von einem Rahmenprogramm, das den „Himmel“ singend, wandernd, Geschichten erzählend erlebbar machte, und auf vielfache Weise Gelegenheit gab, in persönlichen Erinnerungen zu schwelgen.

Für die Ausstellung „Sommerfrische” über den Nenzinger Himmel gestaltete Peter Weibel eindrucksvolle Lichtkunst.
Für die Ausstellung „Sommerfrische” über den Nenzinger Himmel gestaltete Peter Weibel eindrucksvolle Lichtkunst.

Stöbern und Stolpern

Derzeit sind in den Räumen der Artenne Kunstwerke und Installationen zu sehen, die sich um das Thema „Stöbern und Stolpern“ drehen. Ausgangspunkt des Themas war die Räumung des Dachbodens, die heuer in Angriff genommen wurde. Künstlerinnen und Künstler aus Österreich, Deutschland und Israel wurden eingeladen, neue und bereits existierende Arbeiten in der Ausstellung zu zeigen. Eine Literaturnacht am 17. September mit AutorInnen aus Vorarlberg, Tirol und Wien sorgte für reges Publikumsinteresse.

Kino, Gastgarten und Marktplatz

Es ist eine Besonderheit der Artenne, die künstlerische Auseinandersetzung mit Themen des ländlichen Raums breit zu setzen, und ein Angebot für unterschiedlichste Alters- und Interessensgruppen anzubieten. Die Ausstellungen von regionalen und überregionalen Künstlern werden von Lesungen begleitet, die Lesungen sind meist gleichzeitig Konzerte, die Räume sind immer wieder kleine Marktplätze, sei es für caritative Zwecke oder für biologische, regional produzierte Lebensmittel. Die Artenne ist Kino, Diskussionsraum und Workshop-Raum, Gastgarten bei der Matinee und beim Platzkonzert der Blasmusik.

Seit 2013 beschäftigt sich die Artenne mit Sammlungen von regionalen Kulturgütern und Alltagsgegenständen. Das mit Leader-Geldern erarbeitete umfangreiche Konzept zur Kulturgüter-Sammlung Walgau harrt derzeit seiner Finanzierungszusagen durch die zuständigen Bürgermeister im Walgau.

Der Verein Artenne wurde 2008 gegründet, um dem Kulturprogramm einen noch professionelleren Rahmen zu geben: befreundete ExpertInnen aus Kunst und Kultur engagieren sich seitdem beratend und unterstützend im Beirat und halfen auch wesentlich mit, den Grundstein für eine größere Unternehmung zu legen: den Ausbau der Scheune zum Kulturraum Artenne.

Bauherrenpreis 

Das EU-Leader-Programm, das Land Vorarlberg, die Gemeinde Nenzing und nicht zuletzt das große private Engagement und viele unentgeltliche Eigenleistungen der Familie Schlatter ermöglichte die Finanzierung und Umsetzung des Umbaus im Jahr 2010. Im Rahmen eines Wettbewerbs wurde das Projekt von Architekt Hansjörg Thum ausgewählt.

Er befreite die Tenne von überflüssigen Einbauten, ging zurück auf den Urzustand, und wählte einen spielerischen und behutsamen Umgang mit den unterschiedlichen Niveaus und Ebenen, die im ursprünglichen Gebrauch zur Heutrocknung durch Holzleitern verbunden waren. Anstelle der Holzleitern wurden die Plateaus durch Treppen und Rampen aus dunklem Walzblech verbunden, und ergeben zusammen genommen 400 Quadratmeter bespielbare Flächen.

Diese Lösung überzeugte nicht nur die zahlreichen Besucher der Artenne, sondern auch internationale und nationale Fachjurien. Der Umbau der Artenne Nenzing wurde 2011 mit dem österreichweiten Bauherrenpreis der ZV (Zentralvereinigung der Architekten), und 2013 nochmals mit dem Bauherrenpreis der BTV ausgezeichnet. Das ist insofern bemerkenswert, da es sich bei diesem Umbau um ein vergleichsweise kleines, fast „leises“ Projekt handelt.


Text: Isabella Marte
Fotos: Familie Schlatter, Christa Engstler

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