Aus dem Arzneischrank der Natur

Im Moment ist die Ernte im eigenen Kräutergarten noch dürftig. Doch im kommenden Jahr möchte der Walgau-Apotheker zumindest ein paar der am meisten genutzten Heilkräuter selbst anbauen.

Bittschwamms – die ehemalige Salben- und Spirituosenmanufaktur in der Felsenau ist nur noch wenigen Menschen ein Begriff. Heute ist Bittschwamms eine von drei Eigenmarken der Walgau-Apotheke in Frastanz. Mag. Tobias Gut stellt mit seinem Team eine Vielzahl an Salben, Tees und Tinkturen selbst her.

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Mag. Tobias Gut glaubt fest an die Heilkraft der Natur. Mit Begeisterung nutzt er die Wirkstoffe unterschiedlichster Pflanzen und kombiniert diese zu einzigartigen Produkten, welche den Menschen Linderung und Wohlbefinden versprechen. Seine Kunden kommen oft von weit her, um sich mit „Autsch Balsam” für kleine Verletzungen, Baby-Tee, Zahnungs-Öl, Bienenwachs-Wickel, Lippenbalsam, durchblutungsförderndem Alpenkräuter-Franzbranntwein,… oder einem natürlichen „Roll-On” gegen juckende Insektenstiche einzudecken. Viele schätzen außerdem die Möglichkeit, sich eingehend beraten zu lassen. „Wir haben inzwischen rund 900 Rezepturen, die wir immer wieder anwenden”, erklärt Tobias Gut. Die Lager sind ständig mit rund 120 verschiedenen Kräutern gut gefüllt und werden aktuell gerade erweitert. Tobias Gut übernahm 2006 die Frastanzer Apotheke. Schon sein Vorgänger, Mag. Günter Stadler, hatte seit vielen Jahren auf kompetente Beratung und naturheilkundliche Ansätze gesetzt. So ist es denn auch nachvollziehbar, dass Tobias Gut hellhörig wurde, als ihm ein Mitarbeiter eines pharmazeutischen Großhandels davon erzählte, dass der Frastanzer Apotheker einen Nachfolger sucht. Die beiden Männer waren sich zuvor nie begegnet, doch es stellte sich rasch heraus, dass sie gut zusammenpassten. „Es ist ein großes Glück, wenn man einen so gut funktionierenden Betrieb übernehmen darf”, sah Mag. Tobias Gut die Leistungen seines Vorgängers vor 14 Jahren als gute Vorgabe und „tolle Herausforderung”. 

Er hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ein weiteres Unternehmen. Die Firma Bittschwamms war in Familienbesitz, seit sein Vater den Betrieb in den 1980er-Jahren von Ernst Bittschwamm erworben hatte. Adalbert Gut hatte den Firmengründer bei seiner Arbeit als Buchhalter einer Drogerie kennengelernt. Als Ernst Bittschwamm sich aus dem Berufsleben zurückzog, setzte Tobias Guts Vater alles daran, damit die kleine Manufaktur erhalten blieb. Mit vier verschiedenen Salben und einem Kräuterbitter war das Sortiment von Bittschwamms damals überschaubar. Doch schon während seines Pharmazie-Studiums und später neben seinem Beruf als angestellter Apotheker brachte Tobias Gut sein Wissen in das Unternehmen ein. Schritt für Schritt wurde die Produktpalette vor allem um Körpercremes, Ionen Narbenbalsam, Funktionsöle für verschiedenste Zwecke sowie Hautpflege erweitert. 2003 übergab ihm der Vater den Betrieb. Lange vorher hatte das ursprüngliche Manufaktur-Gebäude einem Straßenprojekt weichen müssen, das Unternehmen war in der Folge nach Sulz verlegt worden. 

Mit der Übernahme der Walgau-Apotheke schloss sich 2006 der Kreis. Heute werden alle Artikel der inzwischen drei Eigenmarken der Walgau-Apotheke in Frastanz erzeugt. Nur wenn von einem Mittel größere Mengen gebraucht werden, ist die Tuben-Abfüllanlage in Sulz in Betrieb. Langfristig soll aber auch diese nach Frastanz übersiedeln.

Mag. Tobias Gut und sein Team – in der Walgau-Apotheke sind vier Pharmazeuten, zehn pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte, ein Lehrling und sechs weitere Mitarbeiter fix angestellt – lassen sich bei der Entwicklung neuer Produkte von ihren Kunden und deren Wehwehchen inspirieren. Sie arbeiten mit Ärzten und Physiotherapeuten zusammen und nutzen das Wissen, welches sich in alten Arzneibüchern findet. „Wir können da auf einen wahren Schatz an Literatur zurückgreifen”, gibt Mag. Gut gerne zu, dass vielen Rezepturen jahrhundertealtes Kräuterwissen zugrunde liegt, welches mit modernen Methoden genutzt und weiterentwickelt wird. „Die Pharmaindustrie greift zum Teil auf die gleichen Quellen zurück, hat aber wenig Interesse an Kleinansätzen, kann nicht so schnell reagieren und ist viel schwerfälliger”, fühlt sich Tobias Gut in seiner Nische wohl. Gerade die letzten Monate hätten doch gezeigt, dass es problematisch ist, wenn sich die ganze Welt auf eine Hand voll Produzenten verlässt, die zudem noch in der Hand von Aktionären sind.

Wenn Apotheker Gut Tinkturen, Kräuter oder Teemischungen im Standard-Programm der pharmazeutischen Lieferanten vermisst, stellt er sie nach Möglichkeit selbst oder manchmal auch einfach nur kostengünstiger her. Besonders stolz ist er auf eine eigene Pflegelinie für Kinder, welche er vor acht Jahren unter dem Namen homedi-kind auf den Markt gebracht hat. Die reicht vom Pre-Geburtstee über ein Reinigungsöl für den empfindlichen Baby-Popo, Tönchen Balsam gegen Blähungen bis hin zum Rosen-Hydrolat für trockene Gesichtshaut und den Sandmann-Raumspray für ruhigen Schlaf.

Eigenmarken sind europaweit erhältlich

Rechtliche Basis aller Entwicklungen der Walgau-Apotheke sind die Vorgaben der EU. Weil diese penibel eingehalten werden, kann Tobias Gut in alle Mitgliedsstaaten exportieren und andererseits die Rohstoffe direkt bei Produzenten in ganz Europa beziehen. Die Produkte der Marken Bittschwamms und homedi-kind sind in allen Apotheken sowie über Partnerbetriebe in ganz Europa erhältlich.

Während früher etwa die Salben noch von Hand angerührt, abgefüllt und etikettiert wurden, geht heute vieles maschinell. Das Team der Walgau-Apotheke nutzt die Zeit stattdessen für eingehende Beratungsgespräche und ständige Weiterbildung. Um Platz für sämtliche Arbeitsschritte, Logistik-Flächen und ein noch größeres Lager zu schaffen, wurde die Walgau-Apotheke in den letzten Monaten umgebaut und um einen Anbau erweitert. 

Ein anderer Plan hat sich durch die Corona-Krise verzögert. Doch schon im kommenden Jahr möchte Mag. Gut zumindest vier seiner Lieblings-Kräuter auf den Grünflächen rund um seinen Betrieb selbst anbauen. Fix eingeplant sind Spitzwegerich und Gänseblümchen, welche der Walgau-Apotheker etwa für die Herstellung eines Hustensafts beziehungsweise seines „Autsch Balsams” laufend benötigt. „Spitzwegerich-Öl gibt es nicht auf dem Markt”, weiß Mag. Gut. Er hat deshalb immer schon von einem Spitzwegerich-Feld geträumt und ist froh, dass ihm ein Freund Unterstützung zugesagt hat. „Die Idee ist bei einem Frastanzer Bier entstanden”, freut sich Tobias Gut, dass ihm der Zufall wieder einmal den richtigen Menschen geschickt hat. Denn David Calzone ist Gärtner. Er wird dafür sorgen, dass das Projekt nicht an mangelndem „grünen Daumen” scheitert.

Prinzipiell gibt es aber keine „Allheilpflanze”. „Es geht immer darum, die passenden Wirkstoffe zu kombinieren”, erklärt Tobias Gut. So manche Heilpflanze enthält sogar hochgradig giftige Substanzen. Man muss also schon genau wissen, wie die einzelnen Kräuter verarbeitet werden, welche Dosis dem Menschen guttut, welche Wirkstoffe harmonieren und wo Vorsicht angebracht ist. Angelika, Myrte und Thymian gehören zu Mag. Guts Lieblingspflanzen. Seine absolute Favoritin in allen Lebenslagen ist aber die Rose. „Ihre Vollkommenheit, der betörende Duft und das Öl sind so einmalig, dass man die Dornen vergisst”, gerät er ins Schwärmen. Tobias Gut ist außerdem überzeugt, dass für fast jedes Wehwehchen auch in heimischen Gefilden ein passendes Kraut gedeiht. Man muss also nicht unbedingt zur gerade modernen „Heilpflanze des Jahres” greifen, die oft aus fernen Ländern herangeschafft wird. Mag. Gut empfiehlt seinen Kunden etwa Käsepappel gegen Entzündungen am Nagelbett, Linden- und Holunderblüten zur Stärkung des Immunsystems. Wer gestärkt in die kalte Jahreszeit starten möchte, sollte in der Ernährung auf Bitterstoffe setzen. Endiviensalat, Radicchio oder Chicorée, aber auch Ingwer und Artischocke regen Galle und Leber dazu an, Schadstoffe abzuführen und stärken so das Immunsystem. Linden- und Holunderblüten enthalten zellschützende Flavonoide, während die Beeren des schwarzen Holunders fiebersenkend wirken und viel Vitamin C enthalten.

Doch: „Es ist die Kraft der Sonne, welche den Kräutern und Extrakten ihre Heilkraft verleiht.” Diesem Leitspruch entsprechend ist das Team der Walgau-Apotheke bei den verwendeten Zutaten wählerisch und achtet auch penibel darauf, dass die wertvollen Inhaltsstoffe bei der Verarbeitung erhalten bleiben. Während es viele Pharmazeuten nach dem Studium in die Forschung zieht, verspürt der Frastanzer Apotheker bis heute eine große Sehnsucht danach, mit den Menschen in Kontakt zu stehen und ihnen den Arzneischrank der Natur auf direktem Wege zu öffnen.

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