Das Herz der Dreiklang-Region schlägt wieder

FOTOS: TM-HECHENBERGER, SEILBAHN SCHNIFIS/STEPHAN UNGER

Um das mehr als 60 Jahre alte „Schnifner Bähnle” zu erhalten, zogen private Spender, Unternehmer, Gemeinden, Seilweg­genossenschaft, Unterstützungsverein und das Land Vorarlberg engagiert an einem Strang. Ausflügler und Freizeitsportler dürfen sich freuen: Ab 2. September erleichtern die Gondeln wieder regelmäßig den Aufstieg im beliebten Naherholungsgebiet.

Gerade einmal fünf Personen können sich in die kleinen Kabinen quetschen, um im wahrsten Sinne des Wortes 652 Meter nach oben zu „gondeln”. – Das „Schnifner Bähnle” hat mit den heutigen Vorstellungen moderner Seilbahntechnik nur wenig zu tun. Doch gerade das macht seinen Reiz aus. Man fühlt sich regelrecht in der Zeit zurückgeworfen, wenn man die nostalgische Fahrt auf den Dünserberg antritt. Kein Wunder also, dass sich an Sonnentagen zahlreiche Ausflügler einfinden, um mit der Seilbahn über Blumenwiesen zu schweben und die Aussicht auf den ganzen Walgau, die Schweizer Berge und bis in die angrenzenden Täler zu genießen. „Am Wochenende zählen wir bis zu 400 Fahrten”, weiß Betriebsleiter Marcus Naumann. An solchen Traumtagen kann es vorkommen, dass die Ausflügler ordentlich Geduld aufbringen müssen, um ins Naherholungsgebiet zu kommen. Da kommen durchaus einmal Wartezeiten von bis zu einer Stunde vor. Aber auch von Montag bis Freitag nutzen viele Menschen aus der Region das Bähnle, um nach Feierabend noch etwas Energie abzubauen, sich im „Henslerstüble” an der Bergstation verwöhnen zu lassen und dann ohne Kraftanstrengung ins Tal zurückzukehren. Der kleine Ausflug gehört ganz selbstverständlich zu ihrem Alltag dazu. Als sich Mitte März herausstellte, dass das Tragseil der Seilbahn irreparabel beschädigt war, sorgte diese Nachricht deshalb nicht nur in den Dreiklang-Gemeinden Schnifis, Düns und Dünserberg für einen  Aufschrei.

Behörden gehen auf Nummer sicher

 „Es war nie kritisch”, beruhigt Marcus Naumann alle ängstlichen Gemüter. Auch in beschädigtem Zustand hätte das Tragseil immer noch das 2,9-fache der vorgeschriebenen Maximallast tragen können. Doch bei Seilbahnen sind die Behörden aus gutem Grund besonders vorsichtig. Laut Vorschrift hätte das Seil das Dreieinhalbfache – also bis zu 1400 Kilo – standhalten müssen. Beim obligatorischen Röntgen stellte sich heraus, dass das gewundene Drahtseil an mehreren Stellen korrodiert war. „Wir haben gewusst, dass das Seil irgendwann einmal das Lebensende erreicht, aber so schnell waren wir auf diese Mängel nicht vorbereitet”, erzählt der Betriebsleiter, dass sich die größten „Baustellen” am Seilschuh an einer Stütze gut versteckt hatten. Am 17. März zeigte sich, dass der Betrieb der Seilbahn unter diesen Umständen eingestellt werden muss. Und nach ersten Kostenschätzungen war schnell klar: Alleine konnte die Seilweggenossenschaft die veranschlagten Reparaturkosten von 220.000 Euro – beziehungsweise auch den ebenso teuren Abbruch der Seilbahn – keinesfalls schultern. 

„Doch in Krisenzeiten zeigt sich der Zusammenhalt.” – Die Verantwortlichen des 2003 gegründeten Unterstützungsvereins und der Seilweggenossenschaft Schnifis-Schnifisberg sind regelrecht sprachlos über die breite Solidarität, die sie in den letzten Monaten erleben durften. Alle Genossenschafter waren bereit, 500 Euro pro Anteil zuzuschießen. Das Land Vorarlberg und die Dreiklang-Gemeinden sagten ebenfalls recht kurzfristig jeweils einen Beitrag von 50.000 Euro zu. Den Rest spendierten private Spender und Sponsoren. In den „Crowdfunding-Topf” wurden Beträge zwischen 50 und 20.000 Euro einbezahlt. „Wir sind jedem Einzelnen, der etwas beigetragen hat, sehr dankbar”, erklärt Marcus Naumann. Bereits im Juni sei klar gewesen, dass die Arbeiten in Auftrag gegeben werden können. „Ich habe kein einziges Mal gehört, dass jemand meinte, das Bähnle solle eingestellt werden.”

Das neue Tragseil ist maßgeschneidert

Die Enden des neuen Tragseiles wurden aufgespleißt und im Verbindungsstück mittels Zinklegierung in dieser Position fixiert. Damit ist sichergestellt, dass das Seil nicht durchrutschen kann.

In erster Linie ging es darum, das beschädigte, mehr als 60 Jahre alte, 22 Millimeter dicke und 1745 Meter lange Tragseil zu ersetzen. „So ein Seil ist ein Unikat”, erklärt der Betriebsleiter. Es handelt sich um dieselbe Art von Drahtseil, die – allerdings in knapp zehn Mal so dicker Ausführung – beim Bau von Hängebrücken etwa an Autobahnen zum Einsatz kommt. Es wird nach einer genau berechneten „Flechtformel” von einer Spezialfirma nach Maß gefertigt und dann in einem aufwendigen Verfahren mit dem Abspannseil in der Talstation verbunden. Damit das Seil an den Stützen nicht immer an der gleichen Stelle aufliegt und sich so im Laufe der Zeit Bruchstellen bilden, wird es alle sechs Jahre zweieinhalb Meter weiterbewegt. Zu diesem Zweck werden auf der Bergstation weitere Meter Seil in Reserve gehalten. 

Den erzwungenen Stillstand des Bähnles nahmen die Betreiber außerdem zum Anlass, um alle Teile gründlich zu reinigen und auch die Stützen statisch begutachten zu lassen. Wo immer dies möglich war, packten Freiwillige auf der Baustelle mit an. So mussten etwa Streckenposten eingesetzt werden, wenn die Straße, welche Düns mit den Siedlungen in Dünserberg verbindet, wegen der Arbeiten an der behelfsmäßig aufgebauten Stütze gesperrt war. „Der Zusammenhalt war unglaublich”, schwärmt Betriebsleiter Naumann. 

Er weiß die nostalgische Seilbahn auch als Geschäftsführer der Dreiklang-Region zu schätzen: „Ohne das Bähnle versinkt das Gebiet im Dornröschenschlaf”, ist er sich bewusst. Obwohl  die Besitzer der Montafon-Brandnertal-Karte, einer Jahres- oder Saisonkarte der Seilbahn Schnifis, einer Gästekarte der angrenzenden Täler oder einer Bodensee-Vorarlberg Card den ganzen Sommer über mit dem Linienbus 75a sogar gratis auf den Dünserberg gelangen konnten, hielt sich der Ansturm sehr in Grenzen. Die Flugsportler mit ihren Paragleitern und Drachen, welche die Wiesen neben der Bergstation traditionell bevölkern, wichen weiter nach Westen aus, und auch die anderen „Feierabend-Sportler” fanden alternative Routen. „Die Leute schätzen einfach, dass das Bähnle durchgehend fährt”, erklärt Marcus Naumann. „Niemand hält sich da gerne an einen Bus-Fahrplan.” Ins „Henslerstüble” an der Bergstation, das seit 2020 von der Seilweggenossenschaft Schnifis-Schnifisberg betrieben wird, verirrte sich außer den Familien, die in den umliegenden Hütten Urlaub machten, kaum einmal ein anderer Gast. 

Dies soll sich nun gründlich ändern: Alles deutet darauf hin, dass die beiden Gondeln ab 2. September und bis Ende Oktober wieder regelmäßig von 9 bis 12 und 13 bis 18 Uhr zwischen Berg und Tal verkehren werden. Bei Redaktionsschluss war die Prüfung noch ausständig. Doch die Betreiber gehen davon aus, dass die Seilbahnverantwortlichen nach der gründlichen Inspektion „grünes Licht” geben. Und der ganze Walgau darf sich auf die Schulter klopfen.



Heute nutzen Ausflügler und Freizeitsportler 
das „Schnifner Bähnle”. Doch als die Seilbahn Ende der 1950er-Jahre errichtet wurde, erfüllte sie ganz andere Zwecke.  Damals führte nämlich noch keine Straße von Dünserberg ins Tal. Die letzten Bewohner drohten abzuwandern. Die Anwohner halfen deshalb beim Bau der Seilbahn kräftig mit. So transportierten sie etwa die schweren Betonstützen mit ihren Traktoren und vereinten Kräften an Ort und Stelle. Nach dem Bau der Verbindungsstraße retteten vorerst die Flugsportler das „Schnifner Bähnle”, Anfang der 2000er-Jahre drohte aber schon einmal das Aus für dieses Wahrzeichen der Dreiklang-Region. Dank Zuschüssen der Gemeinde und des Engagements des Unterstützungsvereins konnte das Bähnle in den letzten Jahren kostendeckend betrieben werden. 

 

 

 

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