Die Craft des Bieres

Einmal im Monat treffen sie sich. 25 Personen. In der Hauptsache männlich und jung bis mittelalterlich. Angeleitet von drei totalen Profis wird stundenlang getestet, diskutiert, probiert. Oft weit über die Sperrstunde hinaus. Dabei geht es nur um ein Thema: Bier.

„Diese feine Note von Schokolade, der feste Schaum und scharfe Abgang – ein Genuss”, meint der Herr neben mir. Ein bärtiger Holzfällertyp, dem man wohl Biererfahrung, aber so ein feines Näschen eher nicht zugetraut hätte. „Für mich ist das nix, urteilt ein anderer über das soeben servierte „Arrogant Bastard Ale” der Stone Brewery. „Die Geschmäcker sind verschieden,” hatte ja Stephan Summer schon bei der Begrüßung der Gäste postuliert – und hat damit offensichtlich recht. Stephan Summer ist Biersommelier und bei der Frastanzer Brauerei für den Bereich Craft-Beer zuständig. Er reist weit herum auf der Suche nach neuen bierigen Köstlichkeiten.

Die Großtankstellen der Bierindustrie, die den Weltmarkt beherrschen, lässt er dabei außen vor. Es geht um kleine Hausbrauereien, wie sie in den vergangenen Jahren – einem Trend aus den USA folgend – auch in Europa und hier vor allem in Italien, Österreich, Deutschland und den Beneluxländern wieder eine Auferstehung erfahren.

Eine schöne Auswahl von über hundert dieser „handgemachten” Biere gibt es beim Rampenverkauf der Frastanzer Brauerei zu kaufen: Und einmal im Monat lädt die Brauerei dort zur Verkostung einer Auswahl von acht dieser Biere. Die Anzahl der Teilnehmer ist, aus Platzgründen – und damit sich die Biersommeliers auch für jeden einzelnen Gast genügend Zeit nehmen können – begrenzt. Neben Stephan Summer gehören Marketingchef Oliver Müller und Werbefachmann Mario Rothmund zum „Craft-Team” – auch sie sind beide leidenschaftliche Biersommeliers.

Mario Rothmund (Werbefachmann), Stephan Summer (Biersommelier), Oliver Müller (Marketingchef)
Mario Rothmund (Werbefachmann), Stephan Summer (Biersommelier), Oliver Müller (Marketingchef)

Und warum macht die Brauereigenossenschaft Frastanzer überhaupt Werbung für „fremde” Biere? „Uns geht es um Bierkultur”, erklärt Geschäftsführer Kurt Michelini. Weltweit beherrschen derzeit vier Konzerne den Biermarkt. Die unabhängigen kleinen Brauereien – zu denen auch alle vier Vorarlberger Brauereien gehören – wehren sich mit Qualität gegen diese globale Industriebierschwemme. „Wenn man Bier bewusst trinkt, erkennt man auch den Unterschied zwischen Industriebier und echter regionaler Qualität”, ist Michelini überzeugt. Sein Feldzug für Qualitätsbier, den er mit interessanten Vorträgen, Sommelierausbildungen für seine Mitarbeiter und eben den monatlichen Verkostungen führt, trägt auch Früchte. „Natürlich ist Craft-Beer mit Gurkensaft, Chili, Honig oder Schokolade nicht jedermanns Sache”, weiß auch Stephan Summer. Solchen exotischen Bierexperimenten steht aber eine Vielzahl von „normalen” Craftbieren entgegen. Und sie alle unterscheiden sich von den Industriebieren: Sie haben einen eigenen Charakter und Geschmack.

Auch Braumeister Rudi Mayer ist ein Suchender und die Brauerei Frastanzer hat mit dem „Hornet”, „Hoppy” und dem „Dark” drei eigene Craft-Biere in Bioqualität am Markt.  „Unsere klassischen Marken wie das Gold, das Jubiläum, s‘Klenne oder das Kellerbier werden auch in Zukunft die meistverkauften Biere aus unserem Haus bleiben”, weiß Michelini. Aber das Interesse an diesen besonderen „handcrafted” Gerstensäften steigt rasant. Auch das Interesse derer, die bisher nur Wein für ein adäquates Getränk halten. Und gerade hier sieht er ein großes Potenzial.

„Wenn man noch vor 30 Jahren in einem Gasthaus Wein bestellt hat, dann war die Auswahl meist auf Zweigelt und Grüner Veltliner begrenzt”, erinnert Michelini. Wer mehr wollte, musste schon in die gehobene Gastronomie. Erst die Qualitätsoffensive in Folge des „Weinskandals” Anfang der 1980er Jahre führte in Österreich zu einer Produktvielfalt, die auch eine entsprechende Nachfrage generierte. Vielleicht passiert ähnliches beim Bier. Und im normalen Gasthaus der 2030er Jahre wird man nach der unbedachten Bestellung von einem „Bier bitte” von der Bedienung ähnlich landpomeranzenmäßig taxiert, wie wenn man heute in Wien „Kaffee” bestellt. Obergärig? Untergärig? Pils, Lager? Pale Ale, Porter oder Stout? …oder eines unserer 35 Craft Biere? Wer sich rechtzeitig auf diese Bierzukunft vorbereiten will: Jeden Monat treffen sich 25 Personen in Frastanz…


Fotos: TM-Hechenberger, Ingimage

Vorheriger ArtikelIn guten Händen
Nächster ArtikelFische aus dem Sägenbach