Anfang April sollten Rauchschwalben in unseren Breiten wieder die wärmere Jahreszeit einläuten. Die kleinen Vögel sind dem Menschen eng verbunden und gehören zu den Pionieren des Lehmbaus.
FOTOS: GERALD SUTTER, TM-HECHENBERGER
„Wir finden Rauchschwalben in vielen Bauernhöfen im Walgau”, weiß Mag. Georg Amann. Der Ornithologe fragt beispielsweise regelmäßig bei einem Landwirt in Schlins nach. In dessen Stall kann man jedes Jahr im Frühling beobachten, wie die Vögel dort einziehen, umsichtig ihr Zuhause wieder instand setzen, bevor sie mit dem Brüten beginnen.
Dauerhafte, aber offene Paarbeziehung
Das Brutpaar kümmert sich gemeinsam um diese Arbeiten. Doch zuvor muss das Männchen einen guten Eindruck machen. Rauchschwalben-Damen erliegen gerne dem Charme leuchtender Farbe, intensiv rote Federn an der Kehle eines Männchens und besonders lange Schwanzspieße finden sie hinreißend. Obwohl die Paare über einen langen Zeitraum beieinander bleiben, muss sich das Männchen immer wieder neu beweisen. Lässt es in seinen Bemühungen, das Weibchen zu beeindrucken, nach, muss es damit leben, dass es in seinem Nest auch ein paar Kuckuckskinder durchfüttert. Das Weibchen legt pro Brutsaison bis zu drei Mal vier bis fünf weiße Eier mit braun-roten Flecken, aus denen der Nachwuchs bereits nach gut 14 Tagen schlüpft. Die Jungvögel werden rund drei Wochen lang von den Eltern fürsorglich gefüttert, dann verlassen sie erstmals das Nest. Ihre Bindung zur Familie hält aber noch einige Zeit an.
„Dadurch ist der Bruterfolg bei Rauchschwalben verhältnismäßig hoch”, erklärt Georg Amann. Angesichts des anstrengenden Fluges, welchen die Zugvögel im Herbst antreten müssen, ist dies aber auch bitter nötig. Denn von zehn jungen Rauchschwalben, die sich zum ersten Mal im Herbst auf den Weg ins sonnige Südostafrika machen, kommt nur eine wieder gesund ins Brutgebiet zurück. Die schnellen Flieger sind auf der tausende Kilometer langen Reise nicht nur Wetterunbilden ausgesetzt. Im manchen Ländern, die sie queren, wird zudem mit Netzen Jagd auf Zugvögel gemacht. Außerdem lauern tierische Feinde wie Falke oder Sperber nur allzu gerne an Engstellen, etwa an Gebirgspässen, auf. Ältere Tiere haben deutlich höhere Überlebenschancen. In einem erfolgreichen Vogelleben steht der gefährliche Flug nach Afrika und retour drei bis acht Mal auf dem Programm.
Spektakuläre Rettungsaktionen
Schwalben waren für die Menschen lange Zeit fast so etwas wie Haustiere. Es verwundert deshalb wenig, dass Vogelfreunde immer wieder spektakuläre Rettungsversuche unternahmen, wenn ein plötzlicher Wetterumschwung verhinderte, dass sich die Vögel rechtzeitig auf den Weg machen konnten. So hoben etwa im Herbst 1974 mehrere Flugzeuge der Lufthansa mit gefiederten Passagieren an Bord in Richtung Süden ab. Es handelte sich um die größte Rettungsaktion bis heute. In jenem Jahr war der Winter nämlich schon im September ganz abrupt über Europa hereingebrochen. Die Zugvögel waren bereits in einem so elenden Zustand, dass zu bezweifeln war, dass sie den Flug in den Süden überleben würden. Der damalige Deutsche Bund für Vogelschutz rief deshalb zu einer aufsehenerregenden Aktion auf, an der sich zahlreiche Menschen in ganz Deutschland beteiligten. Mehr als eine Million Schwalben wurden per Auto, Bahn und vor allem Flugzeug in den Süden transportiert. In Norditalien und Südfrankreich wurden sie dann wieder in die freie Natur entlassen.
Zeitzeugen berichten, dass die Flugkapitäne damals der Schwalben wegen sogar ihren Flugstil anpassten. Der Landeanflug wurde als sanftes Hinabgleiten geschildert. „Ob es Sinn macht, so in die Natur einzugreifen, ist fraglich”, bezweifelt Mag. Georg Amann, ob die Vögel damals wirklich nahtlos zu ihrer beabsichtigten Flugroute zurückgefunden haben. Er kann aber gut nachvollziehen, dass die Menschen helfen wollten, als sie die Not der Vögel erkannten.
Gefiederte Untermieter
Aktuell ist der Schwalbenbestand in der Region relativ stabil. „Die Vögel sind aber immer darauf angewiesen, dass der Mensch sie in seiner Nachbarschaft duldet”, erklärt Georg Amann, „auch wenn das etwas Schmutz mit sich bringt.” Im Gegensatz zur Mehlschwalbe, die ihr Nest unter einem Dachvorsprung an der Fassade errichtet, ziehen Rauchschwalben gleich ganz in die menschlichen Behausungen ein. Vor allem in Ställen, in denen auch andere Tiere untergebracht sind, fühlen sie sich wohl. Mit den umherschwirrenden Mücken und Fliegen ist dort außerdem gleich auch der Tisch reich für sie gedeckt.
Sie benötigen ländlich geprägte Siedlungen mit insektenreichen Wiesen sowie tolerante „Vermieter”, die über die Hinterlassenschaften ihrer gefiederten Untermieter gelassen hinwegsehen. Solche Plätze werden dann gerne mit Artgenossen geteilt. Es kommt oft vor, dass sich in einer Scheune eine kleine „Reihenhaussiedlung” aus mehreren Rauchschwalbennestern entwickelt. Die Besitzer dieser Gebäude haben dann die Chance, aus nächster Nähe zu beobachten, wie die Schwalben ihre Jungen aufziehen. Im städtischen Umfeld, wo lehmige Pfützen und geeignete Nistquartiere fehlen, kommen Schwalben so gut wie gar nicht vor.
Als „Glücksboten” willkommen
In früheren Zeiten galten Schwalben als Glücksboten, welche das Haus vor Blitz und Feuer sowie das Vieh in den Ställen vor Krankheiten bewahren. Diese Einstellung hat sich natürlich verändert. Doch auch heute freuen sich noch viele Menschen, wenn die Schwalben als Vorboten des Sommers Einzug halten. Und viele Beobachter schwören darauf, dass tieffliegende Schwalben einen Wettersturz ankündigen.
Dies ist durchaus begründet. Denn Schwalben jagen ihre Beute im Flug. Viele Insekten halten sich in tieferen Luftschichten auf, wenn das Wetter umschlägt. Deshalb sind dann auch die Schwalben in den niedrigeren Regionen unterwegs. Den größten Teil ihrer Beute spüren sie allerdings in einer Höhe von sieben bis acht Metern auf. Die Vögel sind zu waghalsigen Flugmanövern in der Lage, wechseln ihre Flugrichtung abrupt und erreichen eine Geschwindigkeit von bis zu 80 Stundenkilometern.
Ausgezeichnete Flieger
Wie die Rauchschwalbe zu ihrem Namen kam, ist nicht hundertprozentig geklärt. Da diese Vögel schon sehr früh eine enge Bindung zum Menschen entwickelten, geht man jedoch gemeinhin davon aus, dass Rauchschwalben jene Öffnungen im Giebel als Eingang nutzten, über die in den damals kaminlosen Gebäuden der Rauch abzog. Da sie exzellente Flieger sind, reicht den Vögeln schon ein kleiner Spalt wie etwa ein gekipptes Fenster, um zu ihren Nestern ins Innere zu gelangen. „Wir dürfen also einfach nicht alles dicht machen, wenn wir möchten, dass die Schwalben sich bei uns einquartieren”, erklärt Mag. Georg Amann.
Der Ornithologe weist einmal mehr darauf hin, dass jeder, dem die gefiederten Freunde wichtig sind, darauf achten sollte, dass er eine vielfältige Flora fördert. Steriler Rasen und intensiv gedüngte Wiesen bieten keinen geeigneten Lebensraum für Insekten. Und diese wiederum sind Lebensgrundlage für die Vogelwelt. Schwalben müssen sich über den Sommer schließlich ordentlich Energie anfressen, damit sie dann im Herbst für den kräfteraubenden Flug in ihr Winterquartier gut gerüstet sind.
Mag. Georg Amann
… aus Schlins hat an der Uni Innsbruck Biologie und Erdwissenschaften studiert. Der freiberufliche Biologe mit verschiedensten Schwerpunkten widmet sich besonders dem Naturschutz.