„Hast du schon ein Patent angemeldet?” – Diese Frage hört Eduard Muther immer wieder. Doch der Pensionist aus Röns sieht seine Taschen- und Möbelproduktion aus gebrauchten Kanistern ganz entspannt als Hobby. Es würde ihn sogar freuen, wenn sein „Leergut” möglichst oft kopiert würde. Schließlich will er dazu beitragen, dass der Müllberg auf dieser Welt zumindest ein bisschen weniger schnell wächst.
FOTOS: TM-HECHENBERGER
Plastik ist leicht, gut zu verarbeiten und absolut dicht. Außerdem sind Kunststoff-Produkte fast unverwüstlich. Nicht zuletzt deshalb hat Plastik in den letzten Jahrzehnten unsere Welt erobert. Doch Kunststoffprodukte halten auch dann allen Umwelteinflüssen gut stand, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Forscher schätzen etwa, dass es 450 bis 500 Jahre dauert, bis eine Pet-Flasche vollständig verrottet ist. „Ich warte schon lange darauf, dass die Industrie Verpackungen erfindet, die zu Ende gedacht, also aus leicht abbaubarem Material sind”, erklärt Eduard Muther.
„… weil Müll ein Designfehler ist.”
Doch solange Plastik tagtäglich in Unmengen weggeworfen wird, möchte er die kurze Lebensdauer von Verpackungsgebinden zumindest etwas verlängern. Unter der Devise „Aus Einweg wird Vielweg” fertigt er verschiedenste Behälter, Taschen und sogar Möbel aus ausgedienten Plastikteilen. Als überzeugter „Upcycler” legt er allerdings Wert darauf, dass sich der Energieaufwand dafür in Grenzen hält. Das Ausgangsmaterial soll außerdem weiterhin erkennbar bleiben, damit es in unserer Wegwerfgesellschaft Aufmerksamkeit erregt.
„Die Idee ist nicht neu”, ist sich Eduard Muther bewusst. Überall auf der Welt werden die Menschen erfinderisch, wenn sie etwa einen Behälter benötigen, aber gerade keiner zur Hand ist. Er selbst hat vor sieben Jahren einen Plastikkanister so zurechtgeschnitten, dass er als stabiler Papierkorb wieder gute Dienste leistet – und nach und nach andere Produkte aus Kunststoffmüll entwickelt.
„Es gibt keine Erfindungen, sondern nur Entdeckungen”,
ruft er dazu auf, die Perspektive zu wechseln. „Dann findet man in fast jedem Abfallprodukt einen verborgenen Sinn.”
Damit sein Müll wieder salonfähig wird, geht Eduard Muther bei der Verarbeitung keinerlei Kompromisse ein. Er schleift exakt geschnittene Kanten absolut glatt und tüftelt an formschönen und doch praktischen Henkeln und Verschlüssen. Da kommt ihm zugute, dass er früher viel mit Holz gearbeitet hat. In seiner Werkstatt im Keller waren Stichsäge und Schleifmaterialien bereits vorhanden. Ein alter Schusterbock, den ihm der letzte Schuster von Röns, „Schuhmacher`s Albert”, als Dauerleihgabe zur Verfügung stellte, ist längst zum unverzichtbaren Arbeitsgerät geworden. Kleinteile hat sich der „Upcycler” in den Baumärkten zusammengesucht oder im Internet bestellt. Denn es sind die besonderen Details, welche den gebrauchten Kanister in ein schickes Teil verwandeln. „Meine Lena war sogar schon auf dem Opernball”, zeigt der Rönser Tüftler auf eines der kleineren Schmuckstücke seiner Taschen-Kollektion. Das Modell Lena wurde von einer Kundin als Hingucker zum traditionellen Dirndl, von einer anderen zum Abendkleid kombiniert.
Meist starten Eduard Muthers Kreationen aber als stabiler Einkaufskorb oder praktische und formschöne Aufbewahrung eine zweite Karriere. Größe, Farbe und Form bestimmt das Ursprungsprodukt. Deshalb ist Eduard Muther etwa auch daran gescheitert, seiner Nachbarin den Wunsch nach einer praktischen Umhängetasche zu erfüllen. Die Maße der Kanister, welche inzwischen die Landwirte der Umgebung, Freunde und Bekannte sogar selbst vor dem mit „Kanisterbaum” gut markierten Einfamilienhaus in Röns abstellen, waren für so einen Zweck einfach nicht geeignet. Und neue Plastikteile anschaffen – das kommt für den Rönser Tüftler nicht in Frage. Sein Motto lautet schließlich:
„Aus Einweg wird Vielweg.”
Was früher beispielsweise Reinigungsmittel, Industriealkohol oder Essig beinhaltete, wird sorgfältig gereinigt und dann auf seine Möglichkeiten hin begutachtet. Während der gelernte Vermessungstechniker in seiner Werkstatt im Keller fräst, schleift und verschiedene Sattler-Techniken ausprobiert, sitzt seine Frau Christine oft an der Nähmaschine. Auf Wunsch verpasst sie den Taschen nämlich ein praktisches Innenleben aus Stoffen, die aus der ausgemusterten Kollektion eines Raumausstatters stammen. Oder sie fertigt passende Sitzkissen für die Möbel, die ihr Mann aus Plastiktonnen herstellt. Selbstverständlich findet man auch überall im Haus Behälter – für Wäscheklammern etwa oder das Spielzeug der Enkel – , denen man bei näherem Hinschauen ihr erstes Leben als Einweggebinde ansieht. „Weil es zu zweit einfach mehr Spaß macht”, bieten die beiden ihre Produkte gemeinsam auf verschiedensten Märkten zum Verkauf an. Dafür nehmen sie gerne auch eine etwas weitere Anreise in Kauf. Denn dann verbinden sie ihren Einsatz als „Standler” mit einem Kurzurlaub.
Auch die beiden Töchter unterstützen die „Vielweg-Ambitionen” ihres Vaters. Fotografin Johanna und Grafikerin Stefanie haben das Label kreiert und dafür gesorgt, dass „Leergut” auch im Internet professionell auftritt. Und wenn sich dann – meist Frauen – für das Leergut aus Röns begeistern, freuen sich alle gemeinsam über diesen Erfolg.
Beim „Use what you have-Festival” von 31. Mai bis 2. Juni in Bludenz kann man Eduard Muther über die Schulter schauen, wenn er solch ein Behältnis fertigt. Es besteht aus einer Seifenverpackung für Seifenspender. In großen Betrieben in der Region landen täglich bis zu zehn Stück dieser Einwegverpackungen im Müll.