Fanni hätte es gefreut…

Fanni Amann inmitten ihrer Kochschülerinnen. Im „Schnifner Bädle” wurden viele Jahre lang Töchter aus besserem Hause im Kochen ausgebildet.

„Wir müssen trachten, zwar genügend, aber doch haushälterisch zu kochen und vor allem keine Vielesser zu erziehen.” – So schrieb die legendäre Köchin Fanni Amann im Vorwort für ihr 1931 erstmals erschienenes Kochbuch. Sie legte großen Wert auf Vielfalt auf dem Speiseplan, widmete eigene Kapitel der Resteverwertung und der vegetarischen Küche. „Alles aktuelle Themen”, finden Julia Beck und Marcus Naumann. Das Duo hat die beliebten Fanni Amann Tage der Region Dreiklang neu konzipiert und um spannende Formate erweitert. 

FOTOS: ARGE DREIKLANG, BÜRO MAGMA, BROELL.CC, TM-HECHENBERGER

Das Schnifner Bädle anno dazumal.

Wer in den 1950er- und 1960er-Jahren etwas auf sich hielt, schickte seine Tochter im Winter in einen Kochkurs im „Schnifner Bädle”. Dort wurde sie von Fanni Amann sechs Wochen lang in allen Kochfertigkeiten unterwiesen. Diese Ausbildung war anstrengend und keineswegs billig. 60 Schilling kostete die Teilnahme. Das entspricht heute einem Betrag von 40 Euro – pro Tag! Die Schnifner Köchin war allerdings schon damals eine Legende. Gemeinsam mit ihrer Schwester Amalie hatte sie 1919 das Heilbad am idyllischen Fallersee in Schnifis gepachtet und zwölf Jahre später gekauft. Zwar stellte sich heraus, dass das schwefelhaltige Quellwasser, das in der bereits seit 1844 bestehenden Badeanstalt Bad Jagdberg genutzt wurde, die Heilsversprechungen nicht wirklich erfüllen konnte. Dem Ruf des „Bad Schnifis” tat dies aber keinen Abbruch. Im Gegenteil: Die Spezialitäten aus Fanni Amanns Küche lockten Genießer aus ganz Vorarlberg und weit darüber hinaus nach Schnifis. 

Dieser Tradition haben sich die Dreiklang-Gemeinden Schnifis, Düns und Dünserberg 2010 – 37 Jahre nach dem Tod der beherzten Köchin – wieder besonnen. Im Rahmen der Fanni Amann Tage kochen die Gastwirte der Region seither regelmäßig im Sinne der bekannten Koch-Koryphäe auf. Fanni Amanns Kochbuch „Meine Küche” gehört schließlich immer noch in vielen Vorarlberger Haushalten zum Standard-Repertoire, das von der Mutter an die Tochter vererbt wird. 

Eine faszinierende Persönlichkeit

Julia Beck und Marcus Naumann

„Ich bin vor zwei Jahren erstmals über Fanni Amann gestolpert”, erzählt der Geschäftsführer der Dreiklang-Region Marcus Naumann. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei den Schnifner Seilbahnen genoss er im Henslerstüble Spezialitäten, die dort während der Fanni Amann Tage aufgetischt wurden, und blätterte im Kochbuch. „Im Vorwort war alles drin, was heute diskutiert wird”, begeisterte er sich. Nur die Begriffe haben sich geändert. Fanni Amanns Appell, wirtschaftlich und nährstoffreich zu kochen, hat sich zum Aufruf zu „Zero Waste”, bewusster Ernährung und Nachhaltigkeit gewandelt. Die selbstbewusste Köchin, die nie geheiratet hat, weil sie ihr Leben nach eigenem Gutdünken gestalten wollte, die schon vor dem 1. Weltkrieg in Paris und Italien gekocht hatte und sich im Alter von 30 Jahren mit ihrer ebenfalls ledigen Schwester selbstständig machte, faszinierte Marcus Naumann von Anfang an. „Da kann man noch mehr daraus machen”, sah er sofort das Potenzial. 

Bei einer Tagung von Vorarlberg Tourismus kam er mit Julia Beck ins Gespräch, die sich als selbstständige Projektentwicklerin dem Konzipieren von besonderen Momenten verschrieben hat. Es war rasch klar, dass die beiden sich gemeinsam intensiver mit Fanni Amann, ihrem Leben und ihrer Küche auseinandersetzen und auch andere Menschen auf diese schillernde Persönlichkeit und die Region, in der sie wirkte, aufmerksam machen wollten.  

Reger Zuspruch im Pop-up-Café

Julia Beck und Marcus Naumann haben bereits in die Vorbereitung der Fanni Amann Tage 2020 viel Zeit und Ideen investiert. Vor eineinhalb Jahren streute Corona allerdings gewaltig Sand ins Getriebe. Nach zwei genussreichen Wochen mussten alle weiteren Veranstaltungen abgesagt werden. Umso glücklicher sind die beiden nun über ihre Entscheidung, die Fanni Amann Tage 2021 in den Herbst zu verlegen. Den ganzen Oktober über waren die Dreiklang-Gemeinden Schauplatz unzähliger Genuss- und Begegnungs-Momente. Zentraler Mittelpunkt des Geschehens war das „Pop-up-Café” im Schnifner Laurentius-Saal,  das sich bald als beliebter Treffpunkt im Ort etablierte. „An einem normalen Wochentag haben wir dort 50 bis 60 Stück Kuchen verkauft”, zieht Marcus Naumann stolze Bilanz. Julia Beck war anfangs skeptisch gegenüber dem Pop-up-Café. Sie bezweifelte, dass sich der Veranstaltungssaal dafür eignete, ein gemütliches Kaffeehaus-Ambiente zu schaffen. Die Kreative ließ sich trotzdem darauf ein – und freut sich nun sehr über die unglaublich tollen Rückmeldungen zu diesem „Experiment”, das zum Teil Corona geschuldet ist. Denn das Duo wollte unbedingt sicherstellen, dass die Fanni Amann Tage diesmal stattfinden konnten – auch wenn die Coronazahlen wieder steigen. Viele Programmpunkte wurden deshalb von Anfang an ins Freie und eben in den großen Laurentiussaal verlegt, in dem die Sicherheitsabstände leicht eingehalten werden konnten. Nun konnten die kleinen Tische, die extra ausgeliehen wurden, bei den Veranstaltungen aber doch problemlos zur Festtafel zusammengeschoben werden. 

Wie schon bei den vergangenen Fanni Amann Tagen warteten die Wirte der Region im Oktober mit vielerlei Spezialitäten auf. So standen etwa in „Toni`s Luag Ahe” unter anderem „Saure Kutteln”, am Dünser „Älpele” Rindsvögel mit Blaukraut und Spätzle, im „Walgaublick” Gebrannte Suppe, im Gerberblick feine Torten sowie am Bischahof ein zünftiges Bergfrühstück oder Fanni Amann Tapas auf der Speisekarte. Mehr noch als bisher rückte aber das Miteinander in den Vordergrund. So kochten die Dreiklang-Gastronomen am 20. Oktober unter dem Motto „5 Köche – 5 Gerichte” gemeinsam im Laurentiussaal auf. Die Gerichte wurden im Pop-up-Café direkt an den Tischen zubereitet, sodass ein lebhafter Austausch mit den Gästen möglich war. In Gesprächsrunden und Kursen brachten außerdem Feinspitze von „außerhalb” ihre kulinarischen Ideen ein. Die syrische Köchin Safaa Alroumi zauberte Köstlichkeiten für die feierliche Eröffnung. Denise Amann (Mitzigreen, Frastanz), Milena Broger (Weiss, Bregenz), Peter Fetz (Hirschen, Schwarzenberg), Stefan Fleisch (Schützenhaus, Feldkirch) und Sophia Hoffmann (Isla Coffee, Berlin) (Isla Coffee, Berlin) diskutierten mit den Gästen im Pop-up Café ihre Konzepte. Dominic Mayer (Hörnlingen, Rankweil) sowie Sarah Brückner und Oliver Hammer (Taube, Alberschwende) ließen sich in die Kochtöpfe schauen und gaben ihr Wissen weiter.

Food-Bloggerin Eva Fischer stellte ihr neues Kochbuch „Vorarlberger Küche – s’ Bescht usom Ländle” vor.

Eva Fischer präsentierte im Dreiklang ihr druckfrisches Werk „Vorarlberger Küche –´s Bescht usom Ländle”. Die Mobile Küche, die in freier Natur aufgestellt wurde, lockte auch Genießer an, die nur zufällig in der Region als Wanderer unterwegs waren. Marcus Naumann und Julia Beck ging es aber auch darum, die Person Fanni Amann kennenzulernen. Seit 2019 treffen sie sich regelmäßig mit Zeitzeugen und luden nun zu einem gemeinsamen Gesprächsabend ein. Einige Schnifner können sich noch gut daran erinnern, mit welcher Freude sie sonntags einen Kuchen aus Fanni Amanns Backstube genossen haben, Frauen aus dem ganzen Land an die anstrengenden Arbeitseinsätze in der Küche des Bädle. „Fanni Amann war eine sehr fleißige und strenge, aber auch gesellige und aufgeschlossene Frau.” – Diesen Eindruck  haben Marcus Naumann und Julia Beck bei diesem geselligen Austausch gewonnen. Beim Arbeiten trug sie eine weiße Mantelschürze, die sie aber immer auszog, wenn sie die Stube betrat. Den Gästen von damals ist sie als elegante Dame mit Perlenkette in Erinnerung geblieben. 

Fotograf und Autor Reinold Amann aus Röns ist zwar nicht mit der legendären Köchin verwandt, hat sich aber für sein Buch „Walgau und Walsertal – auf Fannis Spuren” intensiv mit der Geschichte des Gasthaus Bädle, das heute privat genutzt wird, auseinandergesetzt. Bei der Eröffnung der Fanni Amann Tage 2021 bot er direkt vor Ort am Ufer des Fallersees spannende Einblicke. 

Marcus Naumann und Julia Beck freuen sich über die vielen schönen Begegnungen im Laufe des Oktobers und auch schon während der Vorbereitungen in der Dreiklang-Region. Eine Pause wird ihnen jetzt aber gut tun. Sie haben viel Herzblut und Arbeit in dieses Projekt gesteckt. Im kommenden Jahr sollen die Fanni Amann Tage wieder in einem etwas kleineren Rahmen während der Fastenzeit durchgeführt werden. Das Duo steht aber bereits in den Startlöchern für ein großes Spektakel 2023. Dann jährt sich der Todestag von Fanni Amann zum 50. Mal. Die Motivation für weitere Anstrengungen liefert Fanni Amann selbst. Sie schrieb in ihrem Vorwort: „Wer meint, das Kochen wäre ganz schön, wenn nur die Arbeit nicht wär, der weiß nicht, welch großen Anteil die Arbeit am Glück und Erfolg  in unserem Leben hat.” 

 

Rezept: Birnenbrot wie früher

Sonja Beck aus Frastanz/Amerlügen unterrichtete mehr als 40 Jahre lang Hauswirtschaft an der HLW Feldkirch. Aktuell versorgt sie das Henslerstüble am Schnifnerberg mit feinen Kuchen. Im Rahmen der Fanni Amann Tage verriet sie ihr ganz persönliches Birnenbrot-Rezept und gab wertvolle Tipps für dessen Zubereitung. 

Das Rezept zum Ausdrucken gibt’s hier:
https://allerhand-magazin.at/wp-content/uploads/2021/11/ah22_DreiklangBirnenbrot.pdf

 

 

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