Vernetzt mit Forschern aus aller Welt

„Ich bin den Leuten und meiner Umgebung dankbar. Sie haben mich außergewöhnlich gefordert und unterstützt”, erklärt Bertram Batlogg, der auf eine bemerkenswerte Karriere zurückblicken kann. Er hat als Physiker neue Materialien erforscht und die Welt bereist. Für seine wissenschaftlichen Erkenntnisse wurde der Bludenzer international ausgezeichnet. 

FOTOS: REINOLD AMANN, PRIVAT, TM-HECHENBERGER

Bertram Batlogg wollte immer schon wissen, wie die Dinge funktionieren. „Ich hatte das Glück, dass ich die Natur und die Umgebung mit den Händen erleben durfte”, erzählt er von vielen Stunden, die er auf dem Bauernhof seines Großvaters in Lorüns verbrachte, wo er schon als kleiner Junge überall mit anpacken durfte. Er war ständig im Freien unterwegs, untersuchte Käfer und Würmer, beobachtete fasziniert die Phänomene der Natur. Als gelernter Maschinenbauer steuerte der Papa technischen Input und Begeisterung bei. Während seiner Gymnasialzeit haben engagierte Lehrer das Interesse des Jungen weiter beflügelt. „Ich durfte bald Physik-Experimente vorbereiten und assistieren”, erinnert sich Bertram Batlogg an ein großes Maß an Freiheit, das seinem Forscher­drang kaum Grenzen setzte. Als er sich als Jugendlicher jedoch in den Kopf gesetzt hatte, eine Rakete zu bauen und im Keller seines Elternhauses entsprechenden Treibstoff zu entwickeln, wäre dies um ein Haar schief gegangen. Der 74-Jährige trägt heute noch die Metallsplitter im Bauch, die ihn bewogen, sich dann doch etwas weniger explosiven Experimenten und schlussendlich der Physik zuzuwenden. 

Dass er sich zum Studium an der ETH Zürich einschrieb, war eher dem Zufall geschuldet. Er hatte sich über verschiedene Universitäten informiert, ausschlaggebend war aber, was ihm ältere Kollegen berichteten, die wiederum der Empfehlung eines Schweizer Mitschülers gefolgt waren. „Der hat eine ganze Reihe von Bludenzern nach Zürich mitgenommen”, schüttelt Bertram Batlogg in der Rückschau den Kopf darüber, welche Zufälle seinen Lebensweg schlussendlich mitbestimmt haben. 

Es stellte sich nämlich heraus, dass diese Entscheidung absolut die richtige war. Denn an der ETH gewährte man ihm ebenfalls viel Freiraum, er hatte einen Professor, der ihn förderte und seinen Interessen entsprechend arbeiten ließ. „Ich durfte bereits im 2. Jahr der Doktorarbeit zu Konferenzen in die USA reisen”, berichtet Bertram Batlogg, „und habe dort mitgekriegt, dass wir in Europa auf dem Gebiet der Festkörperphysik absolut mithalten können.” Er genoss es, mit „Konkurrenten” und Forschenden aus der ganzen Welt zu diskutieren und sich auszutauschen. So kam es denn auch, dass er eine Woche nach der Promotion – seine Doktorarbeit über gemischt-valente Seltene Erden-Verbindungen wurde mit ETH-Medaille und Preis ausgezeichnet – mit Frau und einjähriger Tochter ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten übersiedelte. Für ein Jahr vorerst – aus dem dann insgesamt 21 wurden. 

„Anfangs war es nicht einfach für uns”, ist Bertram Batlogg heute noch fasziniert, „wie unterschiedlich Gesellschaft organisiert sein kann.” Die Zeit in den USA und die damit verbundenen Reisen nach Südamerika, Japan, China und viele andere Länder hätten ihm die Augen geöffnet und ihn auch einen gewissen Respekt für die unterschiedlichsten Lebensweisen von Menschen gelehrt. 

Reger Austausch mit Forschern weltweit

Bertram Batlogg ist seiner Frau Hadi sehr dankbar dafür, dass sie ihren Beruf als Physiotherapeutin hintan stellte, die Familie mit schlussendlich drei Kindern managte und ihm den Rücken freihielt. Denn als Mitarbeiter der renommierten Bell Laboratories in New Jersey war er ständig auf Achse. „In manchen Jahren war ich fast wöchentlich unterwegs zu Vorträgen, Begutachtungen oder internationalen Konferenzen”, erinnert er sich. Neben der eigentlichen Forschungsarbeit im Labor und dem Abteilungsmanagement nahmen unzählige wissenschaftliche Publikationen ebenfalls viel Zeit in Anspruch. 

Sein berufliches Leben widmete Bertram Batlogg vor allem der Suche und dem Verständnis von neuartigen supraleitenden Materialien, wofür er mehrfach ausgezeichnet wurde. In solchen Metallen fließt elektrischer Strom ohne Widerstand, wenn sie genügend tief abgekühlt werden. Weitverbreitete Anwendung finden „traditionelle” Supraleiter in den Magnetspulen für die Magnetresonanz-Tomographie MRT, ohne die heute kaum ein Krankenhaus mehr auskommt. Die neuartigen Supraleiter müssen hingegen weit weniger abgekühlt werden. Aktuell werden aus diesen Materialien hergestellte Erdkabel in mehreren Städten getestet. Man erhofft sich, dass die lokale Energieversorgung dadurch optimiert werden kann, indem die Verluste an elektrischer Energie während des Transports auf nahezu Null sinken und auf Strommasten verzichtet werden kann. Wegen der mechanischen Belastungen und der immer noch nötigen Kühlung sind diesen Anwendungen im Moment aber noch Grenzen gesetzt. „Wir haben die Grundlagen geschaffen, für die weitere Anwendung dieser Technologie wird jetzt Ingenieur-Wissen benötigt”, reicht Batlogg den Stab an die Techniker weiter. 

Er ist ein großer Verfechter des wissenschaftlichen Austauschs, den er über viele Jahre gepflegt hat. Insgesamt habe die Naturwissenschaft in den letzten Jahrzehnten wichtige Einsichten in die Entstehung des Universums gewonnen, neue Denkweisen, Materialien und Werkzeuge entwickelt, blickt er mit „Bescheidenheit, aber auch Stolz darauf zurück, was Leute machen können, wenn sie sich auf solche Dinge konzentrieren, anstatt Kriege zu führen.”

Trotz all der Arbeit – den Kontakt zur Heimat hat Familie Batlogg nie abreißen lassen. Die Kinder besuchten sogar immer wieder für ein paar Wochen die Volksschule St. Peter, wenn ihre Mutter mit ihnen Ferien in ihrer Heimat verbrachte. „So haben wir uns unseren Dialekt bewahrt”, lacht Bertram Batlogg, in dessen Sprache sich keinerlei Akzent eingeschlichen hat. Die Gespräche am Familientisch gestalteten sich stets dreisprachig – Englisch, Hochdeutsch und im Dialekt. Gerne nahm er auch die Einladung des damaligen Landeshauptmanns Dr. Herbert Sausgruber an, der ihn vor gut zwei Jahrzehnten ins Netzwerk Vorarlberg holte – einen Kreis von rund 25 Auslandsvorarlbergern, die sich mit der Politik über wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen austauschten. 

Als die drei Kinder aus dem Haus waren, beschlossen Hadi und Bertram Batlogg, wieder nach Europa zurückzukehren. Neben den beruflichen Möglichkeiten machten die begeisterten Bergsportler die Auswahl ihres Lebensmittelpunktes auch davon abhängig, dass der Weg zur Schipiste nicht länger als zwei Stunden dauern sollte. So tauschten sie den Pulverschnee in den Rocky Mountains gegen den in den Alpen, und der Bludenzer kehrte an den Ort zurück, von dem aus er den Sprung in die wissenschaftliche Elite einst gestartet hatte. Von 2000 bis 2016 hatte er an der ETH Zürich einen Lehrstuhl für Festkörperphysik inne und bemühte sich, seinen Studenten ebenso große Freiheiten zu gewähren, wie er sie für seine eigene Entwicklung gebraucht hatte. Die ETH als Einrichtung von überschaubarer Größe habe ihm dazu beste Voraussetzungen geboten, ist er überzeugt. Parallel dazu wirkte er am Aufbau der FH Vorarlberg in Dornbirn mit und dient seit rund zwanzig Jahren in deren Aufsichtsrat. 

Im Gespräch mit Schülerinnen des Bludenzer Gymnasiums.

Nach seiner Pensionierung haben sich die Batloggs wieder im Raum Bludenz niedergelassen. „Die Menschen, die immer hier lebten, wissen vielleicht gar nicht, wie speziell Vor­arlberg ist”, schwärmt der Weitgereiste von der Landschaft und vom kulturellen Angebot in seiner Heimat. Als Wissenschaftler hat er sich natürlich die Mühe gemacht, die persönlichen Eindrücke zu verifizieren. „Bei der ‚Langen Nacht der Museen´ und dem ‚Tag des Denkmals´ gab es in Vorarlberg bezogen auf die Bevölkerungszahl zweieinhalb mal so viele Angebote wie im Österreich-Schnitt”, hat er etwa errechnet und auch die Zahl der Vereine untersucht. „Die Vorarlberger sind auffallend aktiv”, zeigt sich Bertram Batlogg vom  ehrenamtlichen Engagement der Bevölkerung beeindruckt – und will dem offensichtlich nicht nachstehen. Er tritt damit in die Fußstapfen seines Großvaters, der jahrzehntelang Bürgermeister von Lorüns war, und seines Vaters, der sich zeitlebens bei der Feuerwehr in den Dienst der Allgemeinheit stellte. Bertram Batlogg steht aktuell dem Verein Sozialwerke der Propstei St. Gerold vor, der Menschen in belastenden Lebenssituationen unter anderem kostenfrei pferdegestützte Therapie anbietet. Mit Begeisterung bringt er seine Erfahrungen außerdem im Prozess „Marke Vorarlberg” ein, dessen Ziel, Vorarlberg zum chancenreichsten Land für Kinder weiterzuentwickeln, er besonders gerne unterstützt. Er möchte dazu beitragen, dass junge Leute ihren Weg finden – so wie es ihm seine Umgebung einst ermöglichte.

Vorheriger ArtikelTausendsassa mit kreativen Talenten
Nächster ArtikelMenschen: Sabine Rützler