„Wo sind wir hier?” – „z’Sataas.” „Wo ist Sataas?” – „In Vorarlberg.” „Wo in Vorarlberg?” – „Do”. Nicht nur den Satteinser Volksschülern kommt der Begriff Walgau schlecht auf die Zunge, wenn sie nach ihrer Herkunft befragt werden. Mit dem Projekt „walgenau” soll sich dies langfristig ändern.
FOTOS: TM-HECHENBERGER, REGIO IM WALGAU
„Die Idee ist im Frauenbeirat der Regio Im Walgau entstanden”, berichtet Martina Ess. Gemeinsam mit den Vize-Bürgermeisterinnen von Frastanz und Satteins, Ilse Mock und Doris Amann, kam die Kommunikationsexpertin zu dem Schluss, dass man sich für das einsetzt, was einem wichtig ist und mit dem man sich identifiziert. Der Walgau als Region ist aber noch relativ wenig in den Köpfen der Menschen verankert. Dies wollten die drei Frauen ändern. Schnell war klar, dass dies ein langfristiger Prozess sein würde und die Schulen unbedingt eingebunden werden sollten. „Je mehr wir über die Region wissen, umso mehr identifizieren wir uns mit ihr.” Als ehemalige AHS-Lehrerin wusste Martina Ess aber außerdem, dass die Pädagogen unterstützt werden müssen, wenn man dieses Anliegen ernsthaft betreiben will. Gesagt, getan.
Seit 2017 konnte sie als Projektleiterin zahlreiche engagierte Menschen für das Projekt „walgenau” begeistern. Pädagogen, Natur-Experten und Kreative aus dem ganzen Land haben Unterrichtsmaterialien, Workshops, Exkursionen, Projekttage, sportliche und künstlerische Angebote zu den unterschiedlichsten Themenbereichen entwickelt, die nur eines gemeinsam haben: Der Fokus liegt auf dem Walgau. Der soll Volksschulkindern und Jugendlichen bis zum Alter von 14 Jahren auf möglichst vielfältige Weise nahegebracht werden.
So kam es, dass etwa Frastanzer Mittelschüler bereits als Dorfdetektive mit dem Tablet in der Hand den Nachbarort Göfis erkundeten und einen Sicherheits-Workshop absolvierten, die Satteinser Volksschüler sich beim Walgaudi-Cup maßen und mit dem „Riesen von Barx” im Ohr durch den Walgau stapften, die Göfner Kinder mit einer Biologin den heimischen Wald erkundeten. Das Angebot ist vielfältig. „Der rote Bulle im Walgau” wird ebenso zum Thema wie Wald und Wiese, energietechnische Fragen, die Walgauer Burgen, das Leben historischer Persönlichkeiten und das Leben früher. Auch ein Theater-Workshop und gemeinsames „Käsknöpfle-Kochen” stehen zur Auswahl.
Fünf Projektschulen testeten die Angebote
Die Volksschulen Satteins, Göfis-Kirchdorf und Bürs sowie die Neuen Mittelschulen in Frastanz und Nenzing haben sich bereit erklärt, die walgenau-Angebote während der Pilotphase vorab zu testen.
Schulsozialarbeiterin Teresa Worf und Klassenlehrer David Böckle von der Neuen Mittelschule Frastanz packten die Gelegenheit gerne beim Schopf. Im Rahmen der Nachmittagsbetreuung machten sie sich mit 14 Jugendlichen auf den Weg nach Göfis, wo sie Leonie Dreher mit den Tablets ihrer Klasse bereits erwartete. Die Volksschullehrerin aus Wolfurt hat ein besonderes Faible für digitale Lernangebote. Diese Kenntnisse bringt sie auch an der Pädagogischen Hochschule in Feldkirch ein.
Für das Projekt „walgenau” hat sie eine Schnitzeljagd quer durch Göfis entwickelt. „Göfis wurde es, weil meine Schwester hier lebt”, gibt die Unterländerin gerne zu, dass sie sich sonst in der Region nicht so gut auskennt. Für walgenau hat sie sich aber ordentlich ins Zeug gelegt, die Geschichte des Orts, Sagen und Sehenswürdigkeiten recherchiert. Als die Frastanzer Jugendlichen eintreffen, ist sie gespannt, ob ihr Programm auch ältere Schüler fesseln kann. Zuvor hatte sie die digitale Schnitzeljagd nämlich nur mit Volksschulkindern getestet.
Mit dem Tablet auf Schnitzeljagd
Die Tablets sind schnell ausgeteilt, die Regeln rasch erklärt, die Teams finden sich innerhalb kürzester Zeit und machen sich motiviert auf den Weg. Die Erwachsenen lassen es sich ebenfalls nicht nehmen, mitzuspielen.
Um die Aufgaben zu lösen, welche die App „Actionbound” am Tablet vorgibt, müssen die Spieler genau auf ihre Umgebung achten. Da werden Buchstaben in der Natur gesucht, um den Namen Göfis mit entsprechenden Fotos zusammenzufügen. Mit besonderer Begeisterung bauen die Jugendlichen im Bugo-Park die einst stolze Sigburg, von der heute leider nur noch wenige Mauerreste übrig sind. An der Eisentüre der St. Luzius-Kirche werden die Quadrate gezählt, bevor es darum geht, als „Nachtvolk” einen Tanz aufzuführen, wie dies laut einer alten Sage unter diesen unheimlichen Gesellen einst üblich war. Ganz nebenbei erfahren die Jugendlichen so einiges über ihr Nachbardorf. Wohl kaum einer wusste, dass Göfis in verschiedene Parzellen eingeteilt und dies auf den Straßenschildern ersichtlich ist. Nicht immer sind sich die Mitglieder gleich einig, welche Lösung sie ins Tablet tippen sollen, da wird beraten, spekuliert und sicherheitshalber noch einmal nachkontrolliert. Ein Foto von der kunstvoll errichteten Burg ist hingegen schnell gemacht.
Die Auswertung erfolgt online. Beim abschließenden Aufwärmen im Göfner Bücherei-Café können die Schüler deshalb nur spekulieren, wer schlussendlich die Nase vorn hat. Umso größer ist die Freude bei den Siegern.
„Trotz schlechtem Wetter ist diese Aktion bei den Schülern total gut angekommen”, berichtet Teresa Worf. „Ich fand vor allem die Mischung aus Wissens-Fragen und kreativen Aufgaben sehr gelungen.” An der Neuen Mittelschule Frastanz wird deshalb bereits überlegt, ob Schüler und Lehrer gemeinsam ein Dorfdetektive-Modul erarbeiten könnten, das anderen Walgauern Einblicke in die Marktgemeinde Frastanz erlaubt.
Als Schul-Sozialarbeiterin bietet Teresa Worf im Rahmen der Nachmittagsbetreuung verschiedenste Freizeit-Aktivitäten an, zu denen sich die Schüler je nach Interessenslage anmelden können. Sie wird die walgenau-Angebote sicher weiterhin nutzen, zumal sie die Abwicklung als sehr unkompliziert empfunden und auch von den Pädagogen nur positive Rückmeldungen bekommen hat.
Sportliches Angebot
Dieser Einschätzung schließt sich Elisabeth Dünser von der Volksschule Satteins gerne an. Ihre Erstklässler sind im Walgaudi-Cup gegen die 1b von Kollegin Astrid Marte angetreten. Dieses Angebot wurde von Wolfgang Bauer ausgearbeitet, der vielen Schülern als treibende Kraft des „Sportcamps” ein Begriff ist, das in vielen Walgaugemeinden in den Sommerferien gerne besucht wird. Die Kinder sind von der ersten Minute an mit Begeisterung dabei. Schließlich hat Wolfgang Bauer Pfeil und Bogen, schwierig lenkbare Roller sowie verschiedenste Ball- und Geschicklichkeitsspiele in petto. Da macht es den Kindern wenig
aus, dass sie mit den Fragen manchmal nur wenig anfangen können. Sie raten munter drauflos und fallen sich gegenseitig in die Arme, wenn das Team einen Punkt holt. Der HAK-Lehrer aus Feldkirch forderte die Kinder etwa dazu auf, die Höhe des Piz Buin zu schätzen und fragte, wie viele Hütten im Nenzinger Himmel stehen. „Dabei bewegen wir uns grad mal im Zahlenraum zehn”, lacht Elisabeth Dünser. Denn ihre Schüler hatten einen tollen Vormittag mit viel Bewegung und lustigem Miteinander. Wenn es nach ihr ginge, könnte auch der Wettkampf-
Gedanke ganz in den Hintergrund treten. „Das Projekt befindet sich ja noch in der Pilotphase. Die Fragen wird man auf jeden Fall anpassen müssen.” Elisabeth Dünser glaubt, dass vor allem die Erwachsenen den Kindern die Walgau-Identität vorleben müssen, damit das gewünschte Wir-Gefühl in der Region langsam wachsen kann. Sie tröstet aber all jene, die es nicht erwarten können: „Ich komme aus Dornbirn, würde mich aber auch nie als Rheintalerin bezeichnen.”
Das Feedback der Pädagogen fließt derzeit in den Evaluierungsprozess ein. „Die derzeit insgesamt 13 Module werden laufend verbessert und ausgebaut”, erklärt Martina Ess. Weitere Angebote vor allem in den Bereichen „Wohnen & Arbeit” sowie „Soziales & Zukunft” sollen im Laufe der nächsten beiden Jahre erarbeitet werden. Die bestehenden Workshops, Seminare und Projekttage mit externen Experten können ab dem kommenden Schuljahr von allen Walgauer Schulen – völlig kostenfrei – gebucht werden.
Lehrer und andere Interessierte haben aber schon jetzt die Möglichkeit, Lern- und Infomaterialien unter www.walgenau.at einzusehen und zu nutzen. Die Kosten für das Projekt sind mit rund 190.000 Euro veranschlagt. Dank großzügiger Förderung aus dem LEADER-Topf der EU muss die Regio Im Walgau aber nur einen Anteil von gut 40 Prozent dieser Summe selbst aufbringen.