Wenn Verschuldung zur Bedrohung wird

Privatkonkurse haben Hochkonjunktur. „Es kommen Lehrlinge und Pensionisten, Frauen und Männer, Akademiker und Menschen ohne Pflichtschulabschluss”, stellt Mag. Elke Werle fest, dass es den „typischen“ Konkurskandidaten nicht gibt. „Es kann jeden treffen“, weiß die 35jährige Sozialarbeiterin nach über zwölf Jahren Praxis in der Schuldenberatung des „Institut für Sozialdienste” (ifs). Jobverlust, eine gescheiterte Selbstständigkeit, Scheidung oder schlicht der „unadäquate Umgang” mit Geld sind oft die Wurzel des finanziellen Übels.

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Mag. (FH) Elke Werle, Schuldenberaterin beim IfS in Bludenz.

Die Schuldenberatung in Bludenz steht nach Anmeldung immer zur Verfügung. Jeden Donnerstag Vormittag kann sie auch ohne Anmeldung aufgesucht werden – und wird rege frequentiert. Werles Klienten sind Menschen am Rande des totalen materiellen Untergangs – die in vielen Fällen auch massive physische und psychische Probleme haben. Für Mag. Elke Werle ist das insofern wichtig, als sie der betreffenden Person bei Bedarf den Kontakt zu anderen Beratern im ifs vermittelt. Bei Elke Werle dreht sich ansonsten alles ums Geld. „Wenn jemand zur Schuldenberatung kommt, dann ist es in den meisten Fällen schon fünf nach zwölf”, erklärt sie. Dann geht es ganz nüchtern zunächst um eine Aufstellung aller Verbindlichkeiten. „Die meisten Klienten haben gar keinen Überblick mehr über ihre tatsächliche Schuldensituation.” Die Personen haben die Situation oft jahrelang verdrängt, sich durchgewurstelt und zum Schluss den Postkasten – mit den zu erwartenden Mahnschreiben und Inkassobriefen – gar nicht mehr geöffnet.

Zur Analyse der Finanzsituation gehört neben den Ausgaben für Leben und Schuldentilgung natürlich auch die Einschätzung der zu erwartenden oder möglichen Einnahmen: Wenn es durch Beschränkung der Ausgaben und Mehreinnahmen im Berufsleben bzw. durch Transferleistungen möglich ist, dann werden gemeinsam die notwendigen Schritte definiert. Auf dem steinigen Weg zur langfristigen Entschuldung bietet sich Werle als Begleiterin an.

Privatinsolvenz: Harter Weg

Häufig klafft zwischen Einnahmen und Ausgaben aber ein riesiges Loch – und der Weg führt zwingend zum Insolvenzgericht. Eine Privatinsolvenz ist in jedem Fall ein brutaler Einschnitt: Sämtliches Vermögen und sämtliche entbehrlichen Wertgegenstände werden zu Gunsten der Gläubiger beziehungsweise für die Verfahrenskosten veräußert. 

Danach muss der Schuldner fünf Jahre lang einen zwischen ihm, den Gläubigern und vom Richter vereinbarten fixen Monatsbetrag bezahlen („Zahlungsplan”) oder fünf Jahre lang jeden Monat alle Einnahmen abgeben, die über dem Mindesteinkommen liegen („Abschöpfungsverfahren”).

Licht am Ende des Tunnels

Nach diesen fünf Jahren ist der Schuldner aber definitiv von seiner Schuld befreit – und kann dann  quasi in ein neues Leben durchstarten. „Diese Regelungen gibt es erst seit dem 1. November 2017”, erklärt Mag. Werle. Früher dauerte die Entschuldungsphase sieben Jahre und viele der Betroffenen hatten danach immer noch einen schier unüberwindlichen Schuldenberg vor sich: Der Schuldner musste nämlich früher in jedem Fall eine „Mindestquote” von zehn Prozent seiner Gesamtschulden zurückbezahlen.

Durch die Verbesserungen können alle Schuldner jetzt ein Licht am Ende des Tunnels erkennen, weshalb Mag. Werle das neue Insolvenzrecht für einen großen Fortschritt hält. Die neuen Bestimmungen sind auch der Hauptgrund für den rasanten Anstieg der Privatinsolvenzen.

Mit dem neuen Insolvenzrecht wurden Verbesserungen quasi „am Ende der Schuldenkette” erzielt. Fortschritte sieht Mag. Werle aber auch an deren Beginn – bei der Prävention. 

Hier hat das ifs schon im Jahr 2006 im Auftrag des Landes Vorarlberg den „Finanzführerschein” ausgearbeitet: Ein Erfolgsmodell, das in ähnlicher Form inzwischen auch in Oberösterreich und Salzburg angeboten wird.  

In drei altersgerechten Modulen erlernen Kinder und junge Erwachsene dabei ganz gezielt den Umgang mit Geld. Seit dem Start vor zwölf Jahren haben (bis Mai 2018) 31.663 Kinder und junge Erwachsene an den diversen Kursen teilgenommen, 12.027 haben den Führerschein absolviert.  

Interessierte Schulen, Betriebe und Institutionen können die Kurse beim ifs kostenlos buchen: Weil wichtige Partner wie Arbeiterkammer, Arbeitsmarktservice und auch regionale Banken mit im Boot sind.

Larissa Heiseler, Beraterin bei der Sparkasse Bludenz.

Bei der Sparkasse Bludenz ist Larissa Heiseler speziell für die Koordination der Kinder- und Jugendprojekte verantwortlich. Sie steht unter anderem Eltern und Lehrpersonen mit Rat und Tat zur Verfügung, wenn es um Fragen des Taschengeldes, des Sparens und der Kontoführung geht.

„Ein ganz wichtiges Thema ist das Taschengeld”, berichtet die junge Bankerin von ihren Gesprächen mit Kunden und Eltern. Schließlich kann – logischerweise – den Umgang mit Geld nur lernen, wer auch welches zur Verfügung hat.

Kinder sollten schon früh den richtigen Umgang mit Geld lernen.
Der Schulbeginn ist ein guter Zeitpunkt, um – bei Erstklässlern – mit den Taschengeldzahlungen zu beginnen – bzw. mit den Größeren eine Erhöhung des Budgets zu vereinbaren.

Pro Lebensjahr und Woche werden 30 bis 50 Cent empfohlen (also 3 bis 5 Euro für ein zehnjähriges Kind). Das Geld soll pünktlich ausbezahlt werden und das Kind darf selbst bestimmen, wofür es das Taschengeld ausgibt. Das Taschengeld zu kürzen – weil das Kind nicht „brav” war, ist nicht angebracht; Ebensowenig sollte ein Vorschuss (= Kredit!) gewährt werden, wenn das Geld zu schnell „verputzt” wurde. 

„Dass Geld knapp werden kann und Wünsche nicht immer gleich erfüllbar sind, ist eine besonders wichtige Erkenntnis”, weiß Larissa Heiseler aus ihren Schulungen und aus der „Sparkasse-Taschengeldfibel”: Diese ist gratis erhältlich und enthält eine ganze Reihe wichtiger Tipps für Eltern.*

Wichtig ist der Sparkassen-Beraterin auch, dass das Geld altersgerecht bereitgestellt wird: In baren Münzen zunächst, später auch durch Überweisung per Dauerauftrag. „Cool” ist natürlich auch die eigene Bankomatkarte für Jugendliche, die damit auf ihr Konto zugreifen, es aber nicht überziehen können.

„Die Banken haben in den vergangenen Jahren sehr viel zur Bewusstseinsbildung in Sachen Geld und Verschuldung beigetragen”, bestätigt Mag. Werle und hofft, dass diesbezüglich noch weiter gearbeitet wird. „Die täglichen Verlockungen der Werbewirtschaft auf allen Medienkanälen sind gewaltig. Dem enormen Kaufdruck in unserer Konsumgesellschaft widerstehen zu können, ist keine leichte Übung”, resümiert Mag. Werle. Seit 30 Jahren 30 Jahren bietet die ifs Schuldenberatung kostenlose Hilfe und Unterstützung. In diesen 30 Jahren wurden über 50.000 Menschen begleitet.

Tipps für den richtigen Umgang mit Geld und Kontaktadressen für Beratung und Hilfe finden  Sie unter: ifs.at

*Ähnliche Broschüren halten übrigens auch die Raiffeisenbanken, Hypo und Volksbanken bereit.

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