Run auf das „Goldene Einhorn”

Die Alpinale hat sich in den letzten vier Jahrzehnten vom fast familiären Cineasten-Treff zu einem international anerkannten Kurzfilmfestival gemausert. Davon zeugen im Jubiläumsjahr 1500 Einreichungen von Filmschaffenden aus der ganzen Welt.

FOTOS: ALPINALE/MATTHIAS RHOMBERG, TM-HECHENBERGER

„Das ist uns ein bisschen passiert”, lacht Festival-Intendantin Manuela Mylonas, „diese Menge an Filmen ist eigentlich gar nicht mehr bewältigbar.” Das elfköpfige Kernteam hatte schon im vergangenen Jahr beschlossen, künftig maximal 1.200 Wettbewerbsbeiträge anzunehmen. Schließlich kostet es viel Zeit, die Filme zu sichten und zu entscheiden, welche schlussendlich ins Rennen um das „Gol­dene Einhorn” gehen. Als das Anmeldeportal am 22. Februar geschlossen wurde, waren jedoch bereits 1.500 Filme eingereicht. Zwar dürfen diese eine Länge von 30 Minuten nicht überschreiten, trotzdem war klar, dass die Vorjury viele Stunden vor dem Bildschirm verbringen würde. Glücklicherweise wird das Kernteam bei der Vorauswahl – und später während des Festivals – von vielen Filmbegeisterten unterstützt. „Ich bin wirklich dankbar, dass sich jedes Jahr so viele Menschen finden, die ganz viel Zeit und Leidenschaft in dieses Projekt stecken”, erklärt Manuela Mylonas. 

Sie selbst geht seit vielen Jahren mit gutem Beispiel voran. Die Feldkircherin verbrachte schon als Kind viel Zeit auf Filmsets, ging ihrem Vater – dem Vorarlberger Filmemacher Niko Mylonas – früh zur Hand. Während des Intermedia-Studiums an der Fachhochschule Vorarlberg widmete sie sich mit Vorliebe den bewegten Bildern, studierte dann ein Jahr lang Film in Australien. Kein Wunder also, dass man die junge Frau nach ihrer Rückkehr fragte, ob sie Lust hätte, die ALPINALE-Jury zu unterstützen. So wuchs sie nach und nach in die Verantwortung, seit Ende des Jahres 2008 leitet sie das Festival an vorderster Front.

Fokus auf kurze Filmformate

Während das 1982 von Otmar Rützler und dem kürzlich verstorbenen Journalisten Günter J. Wolf als Bludenzer Filmtage  initiierten und drei Jahre später zur ALPINALE weiterentwickelten Filmfestival anfangs noch Filmbeiträge in Spielfilmlänge forcierte, war damals eine Spezialisierung auf Kurzfilme bereits beschlossene Sache. „Kurzfilme klingen beim Publikum nach, es bleiben oft Dinge offen, im Austausch mit anderen entdeckt man die unterschiedlichsten Aspekte”, steht Manuela Mylonas ganz hinter dieser eindeutigen Ausrichtung. 

„Das Zusammentreffen mit den Filmschaffenden und dem Publikum ist unglaublich bereichernd und inspirierend.”
– Festivalintendantin Manuela Mylonas

Allerdings ist es nicht immer leichte Kost, die dem ALPINALE-Publikum unter freiem Himmel serviert wird. Gerade junge Filmschaffende greifen oft sozialkritische Themen auf und rufen mit drastischen Bildern zur Auseinandersetzung auf. Manuela Mylonas hat Verständnis dafür, wenn es Zuschauerinnen und Zuschauern nicht immer gelingt, sich darauf einzulassen. „Da aber an einem Abend die verschiedensten Filme gezeigt werden, muss dafür Platz sein, dass einem nicht alles gefällt”, findet sie und spricht damit so manchem eingefleischten Fan aus dem Herzen.

Das ALPINALE-Team ist stolz auf ein hochkarätiges Programm. Einige Streifen, die in Bludenz beziehungsweise ein paar Jahre lang in Nenzing über die Leinwand flimmerten, sind inzwischen „oscar-gekrönt”. Manuela Mylonas erinnert etwa an „Spielzeugland” – einen 14-Minüter von Jochen Alexander Freydank, der 2009 mit dem begehrten Kurzfilm-Oscar ausgezeichnet wurde, oder den 2018 nominierten Streifen „Watu Wote”. Die ALPINALE-Fans bewiesen vor letztes Jahr cineastisches Gespür, indem sie „The Red Suitcase” mit dem Publikumspreis bedachten. Denn auch dieser Streifen wurde wenig später von der Academy of Motion Picture Arts nominiert. 2019 lief der Film „Skin”, der schon zuvor einen Oscar gewonnen hatte.

Das Alpinale-Team hat das ganze Jahr über alle Hände voll zu tun, um Österreichs zweitältestes Filmfestival zu managen.

Während der Corona-Pandemie wurden viele ausländische Filme bei der ALPINALE zum ersten Mal vor Publikum gezeigt.  „Es ist ganz etwas ganz anderes, einen Film gemeinsam mit anderen zu sehen, nicht nur alleine am Computer”, erklärt Manuela Mylonas. „Man spürt, wie das Publikum reagiert.” Internationale Filmschaffende kamen, als die großen Spielstätten geschlossen waren, und zeigten sich begeistert von der ALPINALE-Atmosphäre, was in der Folge eben zu den eingangs erwähnten 1.500 Einreichungen führte. Damit ist die ALPINALE zu einer Schnittstelle geworden, an der sich Vorarlberger Filmschaffende mit internationalen Vertretern der Branche treffen und austauschen. Das „Goldene Einhorn” gilt inzwischen als begehrter Filmpreis, obwohl mit dieser Auszeichnung keinerlei finanzielle Zuwendungen einhergehen. Trotz vieler zugewandter Sponsoren aus der Region ist dafür kein Geld in der ALPINALE-Kasse. Die begrenzten Budgetmittel werden gebraucht, um eine hochkarätige Technik und eine gut organisierte Infrastruktur sicherzustellen. Glücklicherweise bleibt aber meist noch etwas Spielraum, um Neues auszuprobieren. So geht die relativ junge Wettbewerbs-Kategorie VR/360º auf Julian Dünser und Andreas Künz zurück, die sich für die Möglichkeiten der Virtual Reality interessierten. Jürgen Schacherl brachte sein Faible für Gruselfilme und Horror ins ALPINALE-Programm ein. Seit 1993 bemüht sich das Team außerdem, Kinder für das Kurzfilm-Format zu begeistern und der Auseinandersetzung mit den Inhalten noch besser zu begleiten. „Die Ideen gehen uns nicht aus”, verspricht die Festivalleiterin, die als Mutter von zwei Töchtern genau weiß, wovon sie spricht.

Auch in diesem Sommer dürfen sich die Filmbegeisterten wieder auf Virtual Reality-Erlebnisse in der Scheune des Würbel-Areals freuen.

Das Publikum kann sich jedenfalls auch im Jubiläumsjahr auf „einen bunten Blumenstrauß an Filmen” freuen. – „Solchen, die zum Nachdenken anregen und das Publikum aus der Komfortzone holen, aber auch einige humorvolle”, lädt Manuela Mylonas schon jetzt zum Filmgenuss unter Sternen und den Austausch mit vielen Kreativen ein. Wer mit dabei sein möchte, sollte die ALPINALE bei der Urlaubsplanung berücksichtigen.

Das 40. Alpinale Kurzfilmfestival 

… geht von 5. bis 9. August auf dem Platz vor der Bludenzer Remise beziehungsweise bei schlechtem Wetter in der Remise oder im Stadtsaal über die Bühne. Die Besucher dürfen sich auf rund siebzig Kurzfilme aus aller Welt freuen. Eröffnet wird das Festival am Dienstag, 5. August um 20.30 Uhr mit internationalen Wettbewerbsbeiträgen. Die Werke von Vorarlberger Filmschaffenden werden am Mittwoch und Donnerstag jeweils ab 17.30 Uhr unter dem Titel „v-shorts” gezeigt. Der Freitagnachmittag ist den Kindern gewidmet, ab 17.30 Uhr blickt das Alpinale-Team dann in Form einer Retrospektive auf 40 Jahre Festival-Geschichte zurück, bevor ab 23.30 Uhr Grusel und Horror angesagt sind. Am Samstag, ab 20.30 Uhr werden die Gewinner der einzelnen Kategorien bekanntgegeben und gefeiert.

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