Abwarten an der Walgauer Weinstraße

„Jetzt bräuchten wir noch eine Woche Föhnwetter.” – Dietmar und Robert Gohm sowie Raimund Dünser checken momentan fast stündlich ihre Wetter-Apps. Die Hobby-Winzer aus Düns möchten den richtigen Zeitpunkt für die Weinlese keinesfalls verpassen. Schließlich können zwei Tage Regen die Arbeit eines Jahres zunichtemachen.

FOTOS: TM-HECHENBERGER, INGIMAGE

Mitte September sollte die Weinlese beginnen. Dann hat der Müller-Thurgau in Bludesch beim Jordan-Schlössle und am Pfarrhofbühel in Düns hoffentlich genügend Sonne getankt. Ein Zuckergehalt von 80 Grad Oechsle wäre das Ziel. Danach geht es weiter mit ­Grünem Veltliner, Chardonnay und anderen weißen Rebsorten, die auf weiteren Flächen in Düns und Röns gedeihen. Das Finale feiern die Walgau Winzer traditionell Mitte ­Oktober mit der Ernte von Zweigelt und Pinot Noir. Die drei Weinfreunde setzen auf verschiedene Rebsorten in unterschiedlichen Lagen – dann ist nicht alles dahin, wenn es zu trocken ist, zum falschen Zeitpunkt regnet oder ein lokal begrenztes­ Gewitter Hagel schickt. Außerdem macht es Spaß, die Entwicklung ­unterschiedlicher Trauben zu beobachten. 

Dietmar Gohm, sein Bruder Robert und Raimund Dünser sind Nachbarn am Mühleweg in Düns. Es ist nun schon fast 30 Jahre her, seit Dietmar Gohm hinterm Haus die ersten Weinreben pflanzte, weil die Obstbäume dort nicht so recht gedeihen wollten. Der Finanzfachmann ließ sich von geschichtlichen Abhandlungen inspirieren. Diese schilderten einhellig, wie gut der Wein schon im Mittelalter und bis ins 19. Jahrhundert an den Südhängen des Walgaus gedieh. 

Als Dietmar Gohm beschloss, den Weinbauern von damals nachzueifern, prophezeite ihm so mancher, dass er wohl nur „Sure Teifl” produzieren werde. Schließlich liegt seine Heimatgemeinde auf 750 Metern Seehöhe. „Und anfangs haben sie auch so manches Mal recht behalten”, lacht Dietmar Gohm. Er ließ sich aber nicht beirren, und bald waren auch sein Bruder Robert sowie Nachbar Raimund mit dem Winzer-Virus infiziert. Gemeinsam bewirtschaften die drei inzwischen eine Fläche von rund 7500 Quadratmetern mit rund 4000 Rebstöcken. In guten Jahren gibt dies rund 4000 Liter Wein.

Und der ist absolut kein „Sura Teifl”. Was der wachsenden Fangemeinde der Walgau Winzer schon viel länger bekannt war, ist seit 2017 schwarz auf weiß belegt. Als das Feinschmecker-Magazin Falstaff die Walgau Winzer einlud, ihre Weine für einen Beitrag über die Bergland-Region zur Bewertung einzureichen, war die Aufregung am Mühleweg groß. „Zuerst wollten wir gar nicht mitmachen,” fürchteten die Hobby-Winzer den österreichweiten Vergleich. Nach hitzigen Diskussionen sagten sie sich aber: „Jetzt oder nie. Dann wissen wir wenigstens, wo wir stehen.” Umso mehr freuen sie sich über die erreichten Punktezahlen. Denn mit 88 beziehungsweise 89 Falstaff-Punkten konnten alle eingereichten Weine – der blaue Zweigelt und der Neuburger vom Ried Jordan, der Rosé und der Müller-Thurgau vom Wingert Höfle und der Müller-Thurgau vom Weinberg Jordan – hervorragend mithalten. „Rund 70 Prozent der österreichischen Weine liegen in diesem Bereich”, fühlen sich die drei in ihrem Tun bestätigt. Schließlich haben sie in den letzten Jahren viel Zeit in ihre Winzer-Ausbildung investiert. Sie haben Fachartikel studiert, Kurse besucht und sich – wann immer möglich – mit anderen Winzern ausgetauscht. Dabei hat jeder der drei seine eigene Philosophie entwickelt, die er im eigenen Weinkeller umsetzt. Denn während sie den Rotwein, den Grünen Veltliner und den Neuburger gemeinsam keltern, hat jeder der Walgau Winzer außerdem den Ehrgeiz entwickelt, eigenen, ganz speziellen Weißwein zu kreieren.

Fachsimpelei und Diskussionen

„Da gibt es natürlich schon einen Konkurrenzkampf”, schmunzelt Robert Gohm. Er setzt im Unterschied zu seinen Kollegen unter anderem auch auf pilzresistente „Piwi-Sorten” und ein anderes Erziehungssystem beim Aufbinden der Reben. Wenn sich die Trauben dann – etwa aufgrund von anhaltendem Regen während der Blütezeit – nur sehr spärlich entwickeln, vermengt sich das Mitleid der anderen manchmal mit ein bisschen Spott. Doch schlussendlich wissen sie alle drei, dass es im Weinbau kein Patentrezept gibt. Bei der Ausübung ihres Hobbys sind sie stark darauf angewiesen, dass die Natur mitspielt. Als etwa im vergangenen Herbst der Rote nicht so recht ausreifen wollte, wurden hitzige Diskussionen geführt. Schlussendlich einigten sich die drei aber darauf, auf Rotwein zu verzichten und den Blauen Zweigelt stattdessen zu einem Rosé auszubauen. „Und der ist ganz anständig geworden”, sieht sich Dietmar Gohm auch durch entsprechende Rückmeldungen bestätigt.

„Das sind dann die leberfreundlichen Sorten”, schmunzelt Raimund Dünser

Heuer haben die Walgau Winzer vor allem mit Mehltau zu kämpfen, der dem feuchtheißen Sommerwetter geschuldet ist. Sie freuen sich deshalb über jedes Lüftchen, das die Reben trocknet. Wenn das Wetter in den nächsten Wochen mitspielt, sollte die Ernte durchschnittlich ausfallen. „An das Rekordjahr 2018 werden wir sicher nicht herankommen”, ist den Walgau Winzern bewusst. Regen im Frühjahr hat dazu geführt, dass bei einigen Sorten die Blüten nur sehr spärlich befruchtet wurden. „Das sind dann die leberfreundlichen Sorten”, schmunzelt Raimund Dünser. 

Bei der Lese helfen alle mit

Alle Familienmitglieder, Freunde und Bekannte sind jedenfalls auf die Lese bereits eingestellt. Denn wenn im Weinberg der optimale Reifegrad erreicht ist, werden alle Hände gebraucht. Nur die besten Trauben werden einzeln gepflückt und abgerebelt. Maschinen kommen an den Walgauhängen nicht zum Einsatz. Anfangs hat Dietmar Gohm seine Ernte noch mit einer nostalgischen Handpresse mühsam von Hand gepresst. Doch inzwischen setzt er auf ein kräfteschonendes System, welches den Wasserdruck nutzt. In der Garage seines Bruders steht schon länger eine elektrische Presse. 

Der weiße Traubensaft wird sofort mit Hefe versetzt, um die Gärung einzuleiten. Bis er nach drei bis vier Monaten in Flaschen abgefüllt werden kann, müssen die Walgau Winzer die Temperatur in den Gärkellern genau überwachen. Sie darf keinesfalls über einen Wert von 18 Grad steigen. Während die Walgau Winzer vor Jahren noch mit Eisbeuteln und Durchzug korrigierend eingegriffen haben, übernehmen dies inzwischen automatische Klimasysteme. In dieser Phase zapfen die Walgau Winzer fast täglich ein Glas ab. „Zur Qualitätskon­trolle, damit wir sofort korrigierend eingreifen können, wenn etwas schiefläuft”, betonen die drei.

Für den Rotwein wird die Presse erst in Betrieb genommen, wenn die Maische vergoren ist und sich Farb- und Gerbstoffe aus den Schalen lösen konnten. Dann ist Geduld angesagt. „Nach dem Vergären kommt der Rote mindestens für ein Jahr ins Holzfass”, erklärt Raimund Dünser. Die Walgau Winzer setzen auf ein gebrauchtes Fass. Eine starke Barrique-Note ist nämlich nicht nach ihrem Geschmack. 

Die Rotwein-Produktion ist in unseren Breiten besonders anspruchsvoll. Denn auch wenn sich die Reben meist prächtig entwickeln – die Herbstsonne entscheidet schlussendlich über die Qualität. Der Klimawandel kommt den Walgau Winzern in dieser Hinsicht entgegen. „Der Erntezeitpunkt hat sich in den mehr als 25 Jahren, seit ich Wein anbaue, um rund drei Wochen nach vorne verschoben”, hat Dietmar Gohm beobachtet. Er glaubt deshalb auch, dass der Erwerbs-Weinbau langfristig wieder in den Walgau zurückkehren wird. „Bei uns gedeihen eher säurehaltige Weinsorten”, sieht er Vorarlberg als Weinbauland in Zukunft punkten. Denn in den großen Weinbaugebieten Österreichs sehen die Winzer den abnehmenden Säuregehalt ihrer Trauben mit Besorgnis. Für die frischen, leichten und eher trockenen Weißweine, welche nicht nur die Walgau Winzer besonders schätzen, ist ein gewisser Säuregehalt aber Voraussetzung.

Obwohl Dietmar und Robert Gohm sowie Raimund Dünser ihr Wissen gerne an Nachwuchs-Winzer weitergeben würden, haben sie Verständnis dafür, dass der Funke derzeit noch nicht so recht überspringt. Ihr Hobby macht schließlich das ganze Jahr über viel Arbeit. Der erste Schnitt muss bis spätestens Mitte März erledigt sein, und bis zur Ernte stehen laufend verschiedenste Pflegemaßnahmen an. Danach müssen die Weinbauern im Keller regelmäßig nach dem Rechten sehen.

 Doch auch wenn der Erfolg dieser Mühen aufgrund von Wetterkapriolen jedes Jahr wieder auf wackligen Beinen steht: Die Walgau Winzer genießen es, wenn sie Freunde und Bekannte in der Dünser Kellergasse von der Qualität des Walgauer Weins überzeugen können. Ende August hätte heuer das bereits fünfte Kellergassenfest am Dünser Mühleweg stattfinden sollen. Alle zwei Jahre treffen sich die Weinfreunde der Region bei diesem Event in lockerer Atmosphäre. Coronabedingt musste auch dieses Fest auf nächsten Sommer verschoben werden. Doch die Walgau Winzer sind zuversichtlich, dass sie dann einen ausgezeichneten Jahrgang 2020 präsentieren können – wenn nur das Wetter in den nächsten Wochen mitspielt…

Interessierte Weinfreunde sind bei den Walgau Winzern immer willkommen. Wer den Walgauer Wein in kleiner Runde verkosten möchte, erhält im Internet unter www.walgau-winzer.com weitere Informationen.

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