„Allerhanf”

Hanf gilt als älteste Kulturpflanze der Welt. Jahrzehntelang aus Vorarlberg verschwunden, wird seit nunmehr drei Jahren in Satteins Hanf angebaut, die Samen werden zu Öl gepresst. Das gewonnene Gold vom Feld ist kostbar für Gesundheit und Geist – und komplett legal.

TEXT: MARTINA ERHART; FOTOS: CHRISTA ENGSTLER, INGIMAGE, PRIVAT

Der richtige Zeitpunkt zur Ernte ist gekommen, wenn die Samen sich leicht von den abgeblühten Pflanzen lösen. Das Wetter muss trocken sein, das Zeichen sollte stimmen – dann, an einem Abend Anfang September, war es soweit: Der Hanf wurde geerntet.

Christian Dobler saß am Steuer des Mähdreschers und zog langsam, laut knatternd übers Feld. Ein Geruch, der noch Stunden später in der Nase kitzelte, erfüllte die Luft, wenn die gedroschenen Pflanzen am Ende der Maschine wieder auf dem Boden landeten. Einzelne Sonnenblumen reckten ihre Blüten zwischen den Hanfreihen empor, wie um zu sagen: „Alles Natur, alles Bio!” Der Anbau in Bioqualität ist Herzenssache für die Familie Dobler. Das zweijährige Verfahren zur Bio-Zertifizierung läuft derzeit. 

Bereits zum dritten Mal erntete die Familie Dobler in Satteins heuer die „Früchte” ihrer Sonderkultur. Die Samen des Nutzhanfs werden zu Öl gepresst oder geröstet und direkt ab Hof verkauft. Im Jahr 2017 starteten Christine und Peter Dobler gemeinsam mit der Familie Malin das Experiment, Hanf und Lein anzubauen. Anstoß gab die Firma feeling, die Landwirte zum Anbau von Sonderkulturen für die Ölgewinnung suchte. Das anfängliche Ausprobieren zeigte rasch Erfolge und weckte die Neugier und die Motivation. Bald wurden auch Dinkel, Weizen und Sonnenblumen angebaut. 

Am Tag der Ernte zeigt sich, dass sich die Arbeit gelohnt hat: Christine Dobler und ihre Söhne Christian (l.) und Alexander freuen sich über das Ergebnis.

Als am Familientisch zum ersten Mal die Rede davon war, Hanf anzubauen, scherzten die Kinder: „Sollen wir nicht erstmal was Legales probieren?” Bestimmte Nutzhanfsorten, wie die der Familie Dobler, sind in der EU zwar zugelassen, dennoch wird der Anbau jährlich vom AgrarMarkt Austria kontrolliert: Der Zeitpunkt der Blüte muss gemeldet werden, anschließend marschiert ein Kontrolleur quer durchs Feld, um Proben zu sammeln und den THC-Gehalt zu überprüfen. Sogar die Polizei schaut ab und zu vorbei und vergewissert sich, ob es sich bei den Pflanzen auch wirklich um die legale und rauschfreie Saat der Familie Dobler handelt. Von Anfang an war die Begeisterung aller Familienmitglieder groß, als erste Bauern in Vorarlberg Hanf und Lein anzubauen. Christian (17) ist seit seinem Praktikum auf einem Biohof in Kärnten, wo er sich viel Wissen aus erster Hand aneignen konnte, der Ackerbauer der Familie. Das heißt, er ist für Aussaat, Beobachtung und Ernte zuständig und nimmt damit seinem Vater Peter viel Arbeit ab. Alexander (21) studiert mittlerweile in Wien und Anna-Lena (19) in Innsbruck, beide sind aber mit Eifer dabei und helfen, wann und wo sie können, beispielsweise wenn es um den Verkauf der hofeigenen Produkte auf Märkten geht. 

Eine Familie, die vielseitiger nicht sein könnte und sich gegenseitig ergänzt.

Gold vom Feld

Geplant hatte die Familie eigentlich nicht, aus den Samen selbst Öl zu pressen, da der Großteil der Ernte an die Firma feeling verkauft wurde. Einen Versuch wollte Christine dennoch wagen – wäre ja schade um die Arbeit und so hätte man zumindest eigenes, hochwertiges Speiseöl. Also kaufte Christine eine kleine Ölpresse für den Hausgebrauch, die angesichts der hartschaligen Hanfsamen aber schnell den Geist aufgab. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch bereits klar, dass der nussige Geschmack des Öls und die gesundheitlichen Vorteile für Nerven und Haut auf große Nachfrage stießen: Eine professionelle Ölpresse musste her. 

Mittlerweile presst Christine wöchentlich frisches Hanföl. Wer dabei beobachtet, wie das Öl in den Glasbehälter tropft, kann sich vorstellen, weshalb das Hanföl ein rarer Schatz ist: Die schonende Kaltpressung läuft im Vergleich zu anderen Ölen sehr langsam und es wird nur wenig Öl gewonnen, dabei bleiben jedoch alle Inhaltsstoffe erhalten. Mit welcher Kraft die Samen dennoch zerdrückt werden, fühlt man an der Wärme des sogenannten Presskuchens, der aufgrund der Reibung handwarm aus der Maschine kommt. Dieser enthält viel Protein und wird an das Vieh verfüttert. Das Öl füllt Christine von Hand in Flaschen ab.  

„Mit dem Anbau von Hanf und Lein ist ein Ball ins Rollen gekommen. Niemals hätte ich gedacht, was sich innerhalb so kurzer Zeit entwickeln kann. Vom Anbau über die Ernte bis zur Verarbeitung und zum Verkauf haben wir viel Wissen dazugewonnen. Wir leben für das – für das Experimentieren, die Qualität und den tollen Geschmack”, fasst Christine die Veränderungen der letzten Jahre zusammen. Der Pioniergeist und die damit einhergehenden Erfolge der Familien Dobler und Malin wurden im Jahr 2018 mit dem Anerkennungspreis „Luag druf” der Landwirtschaftskammer Vorarlberg und der Ländle GmbH ausgezeichnet.

Hanf- und Leinöl stehen bei den Doblers traditionell am Ess­tisch und jeder nimmt, was er mag: Ein paar Tropfen über Nudeln oder Reis, im Salat oder zum Eintunken von Brot. Entsprechend groß ist der „Verschleiß” an Öl, wie Christine es schmunzelnd ausdrückt. Die gerösteten Hanfsamen verwendet Christine gerne im Müsli, im Brotteig und Kuchen oder als Super­food-Knuspertopping auf der Schokoglasur. So isst die Familie Dobler getreu dem Ausspruch von Hippokrates: „Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel sein und eure Heilmittel sollen eure Nahrung sein.” 

Wer im Hoflädile die Vielfalt der Produkte sieht, hat die Entwicklungen der letzten drei Jahre – seit Beginn des Hanfanbaus – vor Augen: Das Sortiment umfasst neben Hanf-, Lein- und Sonnenblumenöl auch geröstete Hanfsamen, Leinsamen sowie selbst gemahlenes Weizen- und Dinkelvollkornmehl, zudem Alpkäse und Eier. Dekoriert hat Christine das Lädile, das erst im vergangenen Jahr eröffnet wurde, mit zahlreichen Fotos, die das Leben und Arbeiten am Rotterhof abbilden. 

In den Wintermonaten, wenn auf Hof und Feld eine annähernde Ruhe einkehrt, wird weiterhin wöchentlich Öl gepresst und Weizen und Dinkel zu Mehl gemahlen. Denn im Hoflädile können rund um die Uhr Produkte in Selbstbedienung erstanden werden. In Christines seltenen Mußestunden wendet sie gerne ihr Kräuterwissen an und verarbeitet die hauseigenen Öle mit Kräutern zu Salben und Cremes für den Eigengebrauch. Denn das Hanföl ist bereits jetzt ihr Anti-Aging-Geheimnis: „Für mich unverzichtbar als tägliche Gesichtspflege”, schwärmt Christine. 

Zukunft der Ländle-Pioniere 

Nach der Ernte Anfang September werden die faserigen Hanfstängel nah am Boden abgemäht und zu Hanfstroh verarbeitet, unter anderem als Liegegrundlage für das Vieh im Stall. Dann wird das Feld umgeackert und im April des nächsten Jahres wird an einer anderen Stelle neu gesät, um die Fruchtfolge einzuhalten. Christian, derzeit im ersten Lehrjahr als Zimmermann, wird eines Tages den Hof übernehmen. Was bis dahin noch alles möglich ist, lässt man getrost auf sich zukommen. „Ausschließen kann ich nichts”, lacht Christine über ihre offene, aber vielversprechende Zukunft. 

 

HANF TUT GUT…

Gesundheitlich hat der Hanf einiges zu bieten. Das aus den Samen gewonnene Öl

  • weist das beste Fettsäuremuster aller Speiseöle auf.
  • Omega-3 und Omega-6-Fettsäuren sind im optimalen Verhältnis.
  • Diese Fettsäuren wirken positiv auf Blutfettwerte, Blutdruck und das Herz-Kreislauf-System. Diabetes wird vorgebeugt.
  • Hanföl schützt das Herz,
  • hält Körper und Gehirn fit,
  • stärkt das Immunsystem,
  • hält die Darmflora gesund,
  • beeinflusst das Hautbild positiv,
  • enthält alle acht essentiellen Aminosäuren. Diese können vom Körper nicht selbst hergestellt werden, sie müssen über die Nahrung zugeführt werden.
  • Hanföl enthält wichtige Vitamine der B-Gruppe, Mineralien, Kalzium, Kalium, Magnesium und Eisen.
  • Es ist in der kalten Küche vielseitig verwendbar: Salatdressing, Topfenaufstrich, Joghurt, Obstsalat, zu Reis, Nudeln, Gemüse, Kartoffeln.
  • Die empfohlene Verzehrmenge sind zwei bis drei Esslöffel Hanföl täglich.

Quelle: www.zentrum-der-gesundheit.de
Der Rotterhof


Sonnig gelegen, am Ortsausgang von Satteins, empfängt der Rotterhof die Besucher mit traditionellem Bauernhofcharme: Hühner picken vor dem Stall nach Futter, Pferde heben neugierig die Köpfe, Hofhund Jimmy dreht seine Runden und Ziege Mona sucht sich ein ruhi­ges Plätzchen. Christine und Peter Dobler führen den Be­trieb im Vollerwerb, ihre Kinder Alexander, Anna-Lena und Christian sind eine wichtige Unterstützung. Neben Milchviehhaltung, Einstellpferden und Hühnerhaltung ist der Anbau der Sonderkulturen Hanf und Lein eine weitere Betriebssparte, die innerhalb der vergangenen drei Jahre an Bedeutung gewonnen hat. Im Hoflädile werden alle Produkte aus eigenem Anbau verkauft. Geöffnet ist das Lädile rund um die Uhr in Selbstbedienung.   

 

 

 

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