Günter Jenni ist gelernter Schmied und Schlosser, er hat 25 Jahre lang bei der Firma Liebherr gearbeitet. Seit 2012 ist er Schilehrer, Hirt und Sattler. Auch die traditionelle Federkielstickerei hat er sich selbst beigebracht.
FOTOS: CHRISTA ENGSTLER
„Wie habe ich es geschafft, so lange in einem Betrieb zu bleiben”, fragt sich Günter Jenni, wenn er auf die 25 Jahre zurückblickt, in denen er in den Werkstätten und Büros der Firma Liebherr in Nenzing tätig war. Denn eigentlich ist er ein Naturmensch. Gemeinsam mit seiner Frau sammelt er Kräuter und Pilze, verbringt er den Sommer am liebsten auf der Alm. In einem Alter, in dem viele seiner Kollegen bereits vom Ruhestand träumen, ist der Bludescher noch einmal durchgestartet und tut nun das, was er am liebsten tut.
Mit dem Wechsel der Jahreszeiten sind dies ganz unterschiedliche Dinge. Im Sommer etwa hütet er bis zu 150 Mutterkühe und Rinder auf der Alpe Innergweil im hintersten Montafon. „Anfangs hatten wir nicht einmal Wasser und Strom”, berichtet er vom Leben auf der 2200 Meter hoch gelegenen Hütte. Doch das macht dem Vollblut-Älpler nichts aus. „Die Alpwirtschaft ist ein Virus wie das `Wilderla. Die lässt dich nicht los.” Mit diesem Virus hat sich Günter Jenni schon als kleines Kind infiziert. Als Fünfjähriger zog er das erste Mal mit der Großmutter auf die Alpe.
Aus dieser Zeit stammt wohl auch seine Begeisterung für Kuhglocken, von denen er über die Jahre unzählige gesammelt hat. „Für ein Senntum mit fein ziselierter Schnalle und Ornamenten hat mir ein Sammler einmal 25.000 Franken geboten”, berichtet er begeistert. Ehrensache ist jedoch, dass er die drei Glocken, die klanglich aufeinander abgestimmt sind und besonders melodisch klingen, nicht verkauft hat. „Die Herstellung eines Riemens war sicher 160 Stunden Arbeit”, weiß der Fachmann diese Sammlerstücke zu schätzen. Auch eine Bronzeglocke mit eingegossener Krone, die wahrscheinlich aus der Zeit der k.u.k.-Monarchie stammt, ist sein ganzer Stolz. Günter Jenni hat im Keller extra einen Raum eingerichtet, in dem Glocke an Glocke hängt. So behält er den Überblick.
Bereits als 18-Jähriger begann der gebürtige Großwalsertaler, die traditionellen Halsbänder für Kühe, Geißen und Ziegen selbst herzustellen. Er schaute so manchem Sattler über die Schulter und war fasziniert vom Werkstoff Leder und dessen Möglichkeiten. 2003 meldete er erstmals das Gewerbe an und erledigte nach Feierabend die Aufträge seiner Kunden. Das sprach sich bald herum, sodass er 2012 beschloss, sein Leben neu auszurichten.
Sobald die Alpsaison zu Ende ist, kann er sich dieser zweiten Leidenschaft nun voll und ganz widmen. Im Keller seines Privathauses in Bludesch hat er eine Werkstatt eingerichtet, in der alles zur Hand ist, um traditionelle Ranzen, Halsbänder für die Kuhglocke, Geldtaschen sowie hochwertige Gürtel in allen Farben zu fertigen. Für letztere nimmt er selbst genau Maß. Denn ein schlecht sitzender, zu enger oder zu langer Gürtel ist für ihn ein Makel, den er nur schwer erträgt.
Günter Jenni kauft dafür ganze Lederhäute ein, die er in der Werkstatt eines befreundeten Sattlers in Deutschland in 30 bis 40 Millimeter breite Streifen mit spitzem Ende zuschneidet. Die Feinarbeit macht er in der eigenen Werkstatt.
Außerdem werden dort natürlich alle Sonderwünsche erfüllt. Die dafür benötigten Werkzeuge und Maschinen hat er über die Jahre gebraucht erstanden. Für spezielle Fertigungstechniken arbeitet er außerdem mit Kollegen in Deutschland zusammen.
Günter Jennis besonderer Stolz ist ein „Nährössle”. Sein Großvater hat ihm ein solches gebaut – nach einem Modell, das er bei der Sattlerei Walch in Lech entdeckt hatte. Wenn er von Hand näht, spannt er das Lederstück im Holzkeil ein und nimmt auf dem integrierten Schemel Platz. Auf dem „Nährössle” kann er bequem arbeiten und sicherstellen, dass die Nähte gerade ausfallen.
Außerdem hält er in seiner Werkstatt Leder, Fell und Stickgarn in allen Farben sowie verschiedenste Schnallen und Zier-Elemente aus Metall für die Kunden bereit. Wenn diese noch keine genauen Vorstellungen haben und er sie beraten darf, ist Günter Jenni in seinem Element. „Ein Gürtel ist für mich ein Kleidungsstück. Man muss sich damit wohlfühlen” – deshalb nimmt er sich dafür gerne alle Zeit, die es braucht. Ein Strahlen im Gesicht der Kunden, wenn sie ihren ganz individuellen Gürtel abholen, ist für ihn der schönste Lohn.
Wichtig ist ihm, dass das verwendete Leder aus europäischer Produktion stammt. „Denn die Bestimmungen sind bei uns viel strenger.” So ist er sich sicher, dass er seinen Kunden wirklich Top-Qualität liefert.
Gerne erledigt er auch Reparaturen. Ihm ist es nämlich wichtig, dass man mit hochwertigen Materialien sorgsam umgeht, nicht gleich alles wegschmeißt und durch Neues ersetzt. Allerdings repariert er nur echte Leder-Teile. Er hat es nämlich schon öfters erlebt, dass der schicke, vermeintliche Ledergürtel eines Kunden bei näherer Betrachtung einen Kern aus Pappe offenbarte.
„Ich möchte dazu beitragen, dass diese alten Handwerkstechniken nicht aussterben.”
Traditionelle Trachtengürtel sowie die Halsbänder der Kühe beim Alpabtrieb sind oft kunstvoll von Hand bestickt. Kenner bevorzugen dafür ein ganz besonderes Material. Für die Federkielstickerei werden nämlich die Kiele von Pfauenfedern in dünne „Fäden” gespalten. Dieses Stickmaterial ist besonders haltbar. Günter Jenni hat mehrere Leibgürtel (Ranzen) aus dem 19. Jahrhundert mit feinsten Stickereien in seinem Besitz. „Früher war es vor allem in Tirol und Südtirol üblich, dass die Mägde am Hof für alle männlichen Mitglieder der Bauernfamilie einen Ranzen gestickt haben”, erzählt er. Die Mädchen arbeiteten durchschnittlich 200 Stunden an so einem kunstvollen Stück. Doch sie waren wohl sehr motiviert. Denn erst, wenn alle Männer mit Ranzen ausgestattet waren, durften die Mägde heiraten. In Vorarlberg ist die Federkielstickerei weniger verbreitet. Die Trachtenkapellen in Brand und im Kleinen Walsertal tragen aber ebenfalls einen breiten, federkiel-bestickten Gürtel.
Günter Jenni hat die alte Technik der Federkielstickerei immer fasziniert. Natürlich musste er auch diese lernen. Doch nicht viele Federkielsticker geben die Geheimnisse ihres Berufes preis. Günter Jenni hat zwar auch entsprechende Kurse besucht, das meiste musste er sich aber selbst beibringen. Doch schließlich ist er überzeugt: „Man kann alles lernen, wenn man wirklich will, und das ist einfach eine schöne Arbeit.” Günter Jenni möchte dazu beitragen, dass alte Handwerkstechniken nicht aussterben. Er ist jederzeit gewillt, sein Wissen an wirklich Interessierte weiterzugeben.
Wenn sich aber der Winter ankündigt, ist er nur noch selten in der Werkstatt anzutreffen. Dann ist Günter Jenni nämlich als Schilehrer gefragt. In Damüls wedelt er hauptsächlich mit privaten Gästen über die Pisten, die alljährlich wieder nach „ihrem” Schilehrer Günter verlangen. Die Begegnung mit den Menschen und die Bewegung in der freien Natur machen dem Bludescher viel Spaß. „Wenn du verschiedene Tätigkeiten ausübst, freust du dich immer wieder auf das nächste”, ist er mit seinem Lebensrhythmus sehr zufrieden.
Denn wenn die Schisaison zu Ende geht, klopfen meist schon wieder die ersten Landwirte an, um Glocken für ihre Tiere – die er natürlich in allen Größen und Formen lagernd hat – bei ihm zu ordern. Dann ist in der Werkstatt wieder einiges zu tun. Denn selbstverständlich braucht jede Kuh für den Alp-
abtrieb ein kunstvoll verziertes Band…
Günter Jenni ist nicht leicht zu finden. Eine eigene Website hat der Bludescher zum Beispiel nicht. Doch weil er ohnehin nicht immer in seiner Werkstatt ist, sollte man ihn bei Bedarf anrufen oder per E-Mail kontaktieren:
Tel: 0650/2665046, E-Mail: altes-handwerk-jenni@hotmail.com