Heuschrecken

(Orthoptera)

Musikanten der Wiesen

Heuschrecken haben ihren Namen vom althochdeutschen „schrecken”, was soviel wie
„(auf-)springen” bedeutet. Einzelne Arten können
bis zu einem Meter weit springen und dabei Startgeschwindigkeiten von 3,2 Metern pro Sekunde erreichen. Rund ein Viertel der zirka tausend in Europa heimischen Arten gilt als gefährdet. 
In Vorarlberg kommen etwa 50 verschiedene Heuschrecken vor. Rössels Beißschrecken (Foto einer Larve links) und das Grüne Heupferd (Beitragsfoto, es handelt sich ebenfalls um ein noch nicht ausgewachsenes Tier) sind häufige Bewohner unserer Wiesen. 

Im Spätsommer sind sie allerorts zu hören, zu Gesicht bekommt sie aber nur, wer genau hinschaut: Heuschrecken-Männchen musizieren zurzeit mit einer unglaublichen Ausdauer, um ihre Weibchen zu beeindrucken. Dies hat einen guten Grund. Starker Frost wird ihrem Leben nun schon bald ein Ende setzen, für die Fortpflanzung ist es also höchste Zeit. Die Weibchen legen ihre Eier an geschützten Stellen im Boden oder in Pflanzen ab, damit sie dort die kalte Jahreszeit überdauern. Nur die Grillen haben da einen Vorsprung. Sie überwintern nämlich als Larven und sind deshalb die ersten, welche im Frühjahr auf unseren Wiesen Musik machen.

Johanna Kronberger … hat ihren Bachelor in Biologie an der Universität in Innsbruck erworben. Beim Masterstudium in Wien hat sie sich auf Naturschutz spezialisiert. Sie berät die Gemeinde Bludesch in Sachen „Naturvielfalt in der Gemeinde” und ist Gebietsbetreuerin des Natura 2000-Gebietes Ludescherberg.

Langfühlerschrecken hören mit dem Ellenbogen 

„Prinzipiell unterscheidet man zwei Gruppen von Heuschrecken”, erklärt Biologin Johanna Kronberger. Die Fühler von Langfühlerschrecken sind länger als ihr Körper, während sie bei Kurzfühlerschrecken eben deutlich kürzer sind. Diese Unterscheidung ist auch für den Laien einfach. Fachleute kennen aber noch andere Merkmale. So können die Weibchen von Langfühlerschrecken die Eier mit ihrem Legestachel in den Boden oder in Pflanzen regelrecht „injizieren”, während „Kurzfühlerschreckinnen” mit ihren Legeklappen dafür ein Loch graben. Auch beim Musizieren haben die beiden Gruppen unterschiedliche Methoden. Männchen mit langen Fühlern reiben meist die Flügel aneinander, um Töne zu erzeugen, während ihre kurzbefühlerten Kollegen die Hinterbeine quasi über eine Saite ziehen, indem sie sie an einer hervorstehenden Flügel-Ader reiben. Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel. Johanna Kronberger: „Die Eichenschrecke, eine Langfühlerschrecke, trommelt zum Musizieren mit den Beinen auf ein Blatt.”

Interessant ist außerdem, dass sich das Hörorgan bei Langfühlerschrecken an den Vorderbeinen – quasi im Ellenbogen-Gelenk – befindet. Bei Kurzfühlerschrecken befindet sich das Gehör hingegen direkt über dem Hinterschenkel-Ansatz.

Wenn es ihnen zu eng wird, wechseln die Larven die Haut

Alle Heuschreckenarten häuten sich mehrfach, bis sie ausgewachsen sind. Im Gegensatz zu Schmetterlingen, welche sich verpuppen und ihr Aussehen bis zum Erwach­senenalter völlig verändern, unterscheiden sich die Larven von Heuschrecken von den ausgewachsenen Tieren eigentlich nur in der Größe. „Sie schlüpfen einfach aus der Haut, wenn es ihnen zu eng wird”, erklärt Johanna Kronberger. Im Juli/August sind die Flügel ausgewachsen – und die Konzertsaison kann beginnen. „Das Musizieren ist für die Männchen sehr anstrengend,” weiß Johanna Kronberger. „Sie brauchen dafür viel Energie.” Im Gebirge ist es daher oft zu beobachten, dass die Musik abrupt abbricht, wenn sich eine Wolke vor die Sonne schiebt. „Es ist ihnen dann einfach zu kalt.”

Grünes Heupferd ist die größte heimische Art

Kurzfühlerschrecken sind großteils Pflanzenfresser, während Langfühlerschrecken auch andere Insekten nicht verschmähen. Das Grüne Heupferd – mit einer Länge von bis zu vier Zentimetern die größte heimische Art – frisst sogar schwächere Artgenossen. Die Heuschrecken-Weibchen sind übrigens deutlich größer als ihre männlichen Gefährten.

Heuschrecken selbst haben eine große Zahl an Fressfeinden. Vögel wie der Neuntöter, der Turmfalke oder Milane sowie Kröten, Eidechsen und Fledermäuse lauern den Grashüpfern auf. Die gelbschwarz-gestreifte Wespenspinne wird auch so mancher Heuschrecke zum Verhängnis. Sie spannt ihr Netz zwischen den Grashalmen. Wer nicht genau darauf achtet, wo er hinspringt, bleibt daran hängen.

Von einem Pilz in den Selbstmord getrieben

Es gibt aber auch einen Feind, der die Heuschrecken sozusagen in den Selbstmord treibt: Entomophaga grylli. Johanna Kronberger: „Wenn dieser Pilz eine Heuschrecke befällt, übernimmt er quasi die Kontrolle im Gehirn.” Er zwingt sie, an einem Grashalm möglichst bis ganz an die Spitze zu klettern, wo das Tier dann erstarrt stirbt. Für den Pilz hat dies den Vorteil, dass sich seine Sporen von dieser erhöhten Position aus besser verbreiten…

Aber auch der Mensch macht den Musikanten der Wiesen das Leben schwer, wenn Wiesen etwa zu oft gemäht werden. Doch auch das „Werkzeug” ist entscheidend. „Werden Wiesen mit einem Schlegelmähwerk gemäht, wird alles zu Mus zerquetscht”, erklärt Johanna Kronberger. Sense oder Balkenmäher sind für die vielen Wiesenbewohner deutlich weniger gefährlich.

„Wildes Eck” fördert die Vielfalt

Spezialisierte Arten sind zudem sehr davon abhängig, dass ihr Lebensraum nicht zerstört wird. Die Türks Dornschrecke etwa braucht Schotterflächen mit Kies und Sand. „In Vorarlberg gibt es letzte Nachweise nur noch an der Alfenz”, bedauert Johanna Kronberger. Die kleine Feldheuschrecke stirbt aus, wenn Bäche verbaut werden und Überschwemmungsgebiete verloren gehen. Sie ernährt sich nämlich von Blättern und pflanzlichen Resten, die bei Hochwasser angeschwemmt werden.

Mit Rasenrobotern kann sich Johanna Kronberger ebenfalls nicht anfreunden. „Aus Naturschutz-Sicht sind die furchtbar.” Denn einerseits vertragen nur wenige Pflanzen den ständigen Rückschnitt, andererseits können sich etwa Heuschrecken in dieser „Wüste mit zwei/drei Pflanzenarten” vor ihren Feinden nicht verstecken. Die Biologin plädiert deshalb an alle Gartenbesitzer, in ihren Gärten ein „wildes Eck” zuzulassen, um die Vielfalt zu fördern. „Ein paar Brennnesseln tun vielen Tieren gut.”

Fotos: Gerald Sutter, Hobby-Naturfotograf, Bludenz

Vorheriger ArtikelFitnesstipp
Nächster ArtikelThüringer Textilgeschichte