Engerlinge waren der Auslöser für den Getreideanbau. Denn eigentlich betreiben die Hartmanns ja eine Gemüsegärtnerei. Genauer gesagt haben sie die Gärtnerei von Brunos Eltern 2003 übernommen – und schlugen neue Wege ein. Während die Eltern vorwiegend an den Großhandel lieferten, setzen Barbara und Bruno Hartmann auf den Direktverkauf und Sortenraritäten von anno dazumal. Mit viel Einsatz zieht Barbara alte Gemüse-Sorten aus selbst gewonnenen Samen, probiert auch immer wieder etwas Neues aus. Als Engerlinge vor zwölf Jahren die Kartoffel-Ernte zunichte machten, besann sie sich auf Dinkel. Der ist bei den Maikäfer-Larven nämlich unbeliebt. Sie wählte dafür Saatgut des Ebner Rotkorn, ein Urdinkel, der nicht mit modernem Weizen gekreuzt wurde, gute Backeigenschaften aufweist und auch unter nicht so idealen klimatischen Bedingungen gedeiht. Der Dinkel entwickelte sich gut, und die Hartmanns fanden Gefallen am Getreide-Anbau. Sie experimentierten bald mit einer alten Roggensorte, dem Waldstaudenkorn, und mit dem Einkorn, welches vom Wilden Weizen abstammt. Beide Getreidearten hat Barbara Hartmann in Oberösterreich bei einem Lehrgang für Raritäten-Gemüse kennen gelernt.
Seit drei Jahren baut sie zudem „Nüziger Winterweizen” an. Sie erhielt nur eine Handvoll Samen dieser alten Weizensorte. Der Dornbirner Bäcker und Sortenschützer Markus Stadelmann hatte diese direkt von der Genbank in Tirol mitgebracht. Diesen Schatz übergab er in die Obhut der Ludescher Gärtnerin. Drei Jahre lang bewies diese viel Geduld. „Im ersten Jahr konnte ich mit meiner Ernte nicht einmal ein Marmeladeglas füllen”, freut sich Barbara Hartmann, dass sie heuer erstmals einen Kuchen aus Nüziger Winterweizen backen kann. „Da lernt man den Wert eines Kilos Mehl wieder schätzen.” Letztes Jahr hatten die Hartmanns endlich 15 Kilo Saatgut beieinander. Dieses wurde direkt neben den Glashäusern der Gärtnerei gesät, gehegt und gepflegt. Wie sich der Nüziger Winterweizen im Backofen macht, kann Barbara Hartmann jetzt allerdings noch nicht sagen. Denn bei Redaktionsschluss waren die Körner noch nicht gereinigt. Gelingt der Kuchen, so werden Barbara Hartmanns Kunden künftig auch diese alte Getreidesorte in den Regalen des kleinen Gärtnerei-Ladens finden.
Barbara Hartmann hat in der Küche für jedes Gericht ihr Lieblingsmehl. Obstkuchen zum Beispiel bäckt sie gerne aus Einkorn, wegen des leicht nussigen Geschmacks. Brotteig bereitet sie aus Waldstaudenkorn und Dinkel. Sie plädiert auch in dieser Hinsicht auf die Rückbesinnung auf alte Sorten. „Die meisten Leute kennen ja nur noch den Geschmack von Weizen.” Dabei gibt es viele verschiedene Getreidesorten, die auch in Vorarlberg gut gedeihen. In den letzten Jahren hat der Getreideanbau denn auch wieder zugenommen.
Kleine Betriebe wie die Gärtnerei Hartmann kämpfen allerdings damit, dass die benötigte Infrastruktur im Land fehlt. Es gibt in Vorarlberg nur einen Mähdrescher, und der ist im Unterland stationiert. Getreide muss aber genau zum richtigen Zeitpunkt geerntet werden. Bei einem Wetterumschwung kann es sonst passieren, dass das trockene Korn wieder ausschießt. Das wirkt sich negativ auf die Backfähigkeit aus. „Das ist uns einmal passiert, weil wir den Mähdrescher nicht rechtzeitig bekommen haben”, berichtet Barbara Hartmann. Das Mehl konnte damals nur mehr zu Nudeln verarbeitet werden. Bruno Hartmann schlug deshalb sofort zu, als er erfuhr, dass sich die Dreschgemeinschaft Lienz auflöst und ihren kleinen Mähdrescher verkauft. Er hat ihn im Frühjahr gekauft, ohne dass er die Maschine gesehen hatte. Im Herbst fuhr er dann gemeinsam mit Barbara nach Osttirol, um die Maschine abzuholen. Sie hatte die perfekte Größe. Wenn die eigenen Felder abgeerntet sind, ist der Mähdrescher nun auch auf den Feldern anderer Getreide-Produzenten im Einsatz. Man hilft sich gegenseitig aus.
Top-moderne Nudelküche im Keller
Während die meisten Getreide-Bauern in der Region ihre Ernte an den Martinshof verkaufen, setzen Barbara und Bruno Hartmann immer noch auf den Direktverkauf. Anfangs konnten die Kunden ihr Getreide in ihrem kleinen Laden in einer herkömmlichen Haushaltsmühle zu Vollkorn-Mehl mahlen lassen.
2010 schafften sie sich dann eine größere Mühle an. Durch Aussieben konnten sie nun auch helleres Mehl anbieten. Außerdem gewannen sie so feinen Dinkeldunst, der für die Herstellung von Nudeln ideal ist. Im Keller des Privathauses richteten sie kurzerhand eine Nudelküche ein – mit moderner Nudelmaschine, Trockenschrank und Verpackungstisch. „Immer wenn wir Zeit haben und der Bedarf da ist” bereitet Bruno Hartmann einen Nudelteig aus bis zu 300 Eiern und 50 bis 60 Kilo Mehl. Barbara assistiert vor allem bei der Zubereitung von Spaghetti. Diese müssen nämlich von Hand geschnitten werden. Mit der Nudelproduktion hat sich die Gärtnerei Hartmann inzwischen ein weiteres Standbein geschaffen. Während die Kunden dort früher von April bis November Setzlinge, Balkonpflanzen, Kräuter und Gemüseraritäten kaufen konnten, ist der kleine Laden – zumindest am Samstag Vormittag – das ganze Jahr über geöffnet, damit die Feinschmecker der Region dort heimisches Getreide und feine Nudeln erstehen können.
Fotos: Christa Engster, TM-Hechenberger