Einst in ganz Vorarlberg weit verbreitet, ist der Steinkrebs heute kaum mehr zu finden. Im Torfriedbach in Schlins und im Walsbächle in Röns fühlt er sich wohl.
„Meine Mutter – sie ist heute 95 Jahre alt – hat mir erzählt, dass sie sich als Mädchen nicht getraut hat, barfuß in den Wiesenbach zu steigen”
, berichtet der Schlinser Biologie Mag. Helmut Amann. Der Grund dafür waren kleine Krebse, die sich tagsüber unter großen Steinen versteckt hielten. Wenn sie gestört wurden, konnten sie mit ihren Scheren ganz schön anhänglich werden.
Europaschutzgebiet soll Erhalt der Steinkrebse sicherstellen
Heute ist die Chance, einen Steinkrebs zu Gesicht zu bekommen, gering. Die kleinste europäische Krebsart ist in Vorarlberg fast verschwunden. Nur noch in ein paar kühlen Bächen im mittleren Walgau sowie im Bregenzerwald und im Laiblachtal gibt es geringe Bestände. Um den Steinkrebs zu schützen, hat das Land Vorarlberg mehr als 25 Hektar Waldflächen rund um den Torfriedbach in Schlins und das Walsbächle in Röns zum Europaschutzgebiet ausgerufen.
Steinkrebse sind nicht heikel und auf der Flucht erstaunlich schnell
Der Steinkrebs wird nur etwa acht Zentimeter lang, ist aber optisch seinen größeren Verwandten wie Hummer oder Languste sehr ähnlich. Am vordersten der fünf Beinpaare trägt er zwei Scheren, die der Krebs bei Gefahr bedrohlich aufrichtet. Normalerweise schreitet er gemächlich in alle Richtungen durch das steinige Bachbett. Doch auf der Flucht stößt er sich mit dem Schwanzfächer ab und wird so erstaunlich schnell. Während die Krebse am Tag unter Steinen oder in selbst gegrabenen Höhlen ruhen, machen sie sich nachts auf Nahrungssuche. „Steinkrebse sind nicht wählerisch”, erklärt Mag. Amann. Auf dem Speiseplan stehen Kleinorganismen, Pflanzen und Aas. „Sie werden deshalb auch als Gesundheitspolizei der Gewässer bezeichnet.”
Wird der Chitinpanzer zu klein, wirft der Steinkrebs ihn ab
Im Herbst heftet das Männchen ein Samenpaket an die Schwanzunterseite des Weibchens. Sobald dieses Eier legt, schüttet es auch ein Sekret aus, welches das Samenpaket „aufschnürt”. Die so befruchteten Eier trägt das Weibchen über Monate auf der Schwanzunterseite. Erst im Frühjahr schlüpft der Nachwuchs. Die jungen Krebse wachsen schnell. Der Chitinpanzer, der den Krebs wie eine Ritterrüstung schützt, wird abgeworfen, sobald er zu klein ist. „Im ersten Jahr geschieht dies etwa acht Mal”, erklärt Mag. Amann. Bei der Häutung kommt es vor, dass der Krebs ein Bein oder eine Schere verliert. Diese wachsen aber – auch nach einem Unfall – problemlos nach.
Gewässerverschmutzungen, Krebspest und Verbauungen setzen dem Steinkrebs zu
Es sind vor allem Insektizide, die dem Steinkrebs zusetzen. Er reagiert sehr empfindlich auf Verschmutzungen der Gewässer. Außerdem haben bauliche Maßnahmen und die durch fremde Arten eingeschleppte Krebspest – eine Pilzerkrankung – dazu geführt, dass der Steinkrebs heute vom Aussterben bedroht ist.
Wirtschaftliche Bedeutung hatte der Steinkrebs nie, da er aufgrund seiner geringen Größe „nicht ausgibt”. Sein bis zu 18 Zentimeter großer Verwandter – der ebenfalls heimische Edelkrebs – wurde hingegen gerne verspeist. Dies belegen alte Kochrezepte und Verordnungen. In einem Kochbuch des Klosters St. Peter aus dem 18. Jahrhundert, das sich heute im Landesarchiv befindet, stehen zum Beispiel 50 Krebse auf der Zutatenliste für eine Torte…
Stein- oder Bachkrebs
(Austropotamobius Torrentium)
Der Steinkrebs ist der kleinste europäische Flusskrebs. Er wird zirka acht Zentimeter groß. Das Männchen unterscheidet sich vom Weibchen durch etwas größere Scheren. Der Steinkrebs bevorzugt kühle, klare und gut strukturierte Gewässer mit steinigem Untergrund. Er wird bis zu zehn Jahre alt und reagiert empfindlich auf Verunreinigungen des Wassers.