Ein gesunder Boden ist nicht nur Voraussetzung für eine reiche Ernte. Er ist außerdem ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen Hochwasser und andere Naturgewalten. Die Klimawandel-Anpassungsmodellregion (KLAR!) im Walgau will nun mit einem Demonstrationsprojekt in Bludesch aufzeigen, dass wir gut daran tun, das Erdreich unter unseren Füßen behutsam zu behandeln.
FOTOS: TM-HECHENBERGER, DR. FITZ
Überall in Vorarlberg wird fleißig gebaut. Abgesehen von Nutzungskonflikten, die immer wieder für Ärger sorgen, werden für jede Baugrube Tonnen an Erdreich entnommen und irgendwo anders abgelagert. Dies muss nicht unbedingt ein Problem sein. Nur sollte man dabei ein paar Grundregeln beachten. „Wenn man nasse Erde mit schweren Maschinen bearbeitet, wird diese extrem verdichtet”, erklärt Boden-Experte DI Dr. Walter Fitz. In der Folge ist der Wurzelraum für die Pflanzen extrem eingeschränkt. Tiefwurzler, die zur Hangsicherung in steilem Gelände einen wesentlichen Beitrag leisten, kommen nur schwer durch. Der Boden kann zudem kaum mehr Wasser aufnehmen, dieses staut sich deshalb an der Oberfläche. Angesichts zunehmender Schlagwetter im Wechsel mit Hitzeperioden, welche der Klimawandel unserer Region beschert, fordern Experten deshalb einen schonenderen Umgang mit dieser Ressource.
Prinzipiell gibt es in Österreich eine Rekultivierungsrichtlinie, die als Richtschnur dienen sollte. „Sie ist nur noch nicht in der Praxis angekommen”, beobachtet Dr. Fitz. Der Naturfreund aus Hard hat – nach der HTL und zwei Jahren Berufspraxis – Landschaftsplanung und Landschaftspflege an der Universität für Bodenkultur in Wien studiert und sich anschließend auf das Thema Boden spezialisiert. Er sieht etwas neidisch über die Schweizer Grenze, wo der Boden per Gesetz viel weitreichender geschützt ist. Dies ist vor allem deshalb der Fall, weil der politische Konsens besteht, dass die Eidgenossenschaft immer in der Lage sein sollte, ihre Bevölkerung selbst zu ernähren. Und dafür braucht es fruchtbare Böden. Soll ein Bauprojekt auf gutem Ackerboden umgesetzt werden, muss der Bauherr auf eigene Kosten eine weniger ertragreiche Fläche aufwerten. Für Flächen die versiegelt werden, muss also gleichwertiger Ersatz geschaffen werden, indem der Humus andernorts nach allen Regeln der Kunst zur Bodenverbesserung eingebracht wird. Diese Maßnahmen werden genau überwacht, indem etwa die Bauabnahme erst erfolgt, wenn klar erwiesen ist, dass es auf diesen Flächen keine Wasserstaus gibt und die Gesamtfruchtbarkeit der Schweizer Böden sich durch diese Maßnahmen nicht verändert hat.
Eine solche Vorgangsweise würde sich Boden-Experte Fitz auch für Vorarlberg wünschen. Denn sie sichert nicht nur wertvolles Ackerland, sondern hilft auch dabei, Hochwasserspitzen abzufedern, weil tiefgründiger Boden einiges an Wasser aufnehmen kann. „In Salzburg ist man in dieser Hinsicht viel weiter”, weiß er. In diesem Bundesland droht die Entrichtung eines saftigen Altlastensanierungsbeitrages, wenn die Rekultivierungen nicht sachgerecht umgesetzt wurden. Walter Fitz ortet aber auch im Ländle ein Umdenken.
Durch gezielte Maßnahmen könnte die Bodenfruchtbarkeit in der Talsohle des Walgaus jedenfalls deutlich verbessert werden, ist er überzeugt. Vor allem in den Gemeinden Thüringen und Bludesch hat die Lutz einen Großteil der landwirtschaftlichen Flächen mit Schotter überschwemmt, auf dem nur eine dünne Humusschicht liegt. In Trockenperioden können die Wurzeln kaum Wasser aufnehmen.
„Im Hitze-Sommer 2018 hatten wir übers Jahr Ernteausfälle von bis zu 80 Prozent”, bestätigt der Bludescher Bürgermeister Martin Konzet. „Es kann doch nicht sein, dass wir in Trockenperioden jedes Mal um Förderung ansuchen müssen”, hofft der Nebenerwerbs-Landwirt sehr auf eine nachhaltige Verbesserung der Bludescher Böden. Wenn der Boden einiges an Wasser aufnehmen kann, sind zudem die Siedlungen besser vor Hochwasser geschützt. Klimaforscher gehen schließlich davon aus, dass sich extreme Wetterereignisse in unseren Breiten künftig häufen. Bgm. Konzet und Boden-Experte Fitz würden sich deshalb wünschen, dass fruchtbarer Boden, der bei Bauprojekten anfällt, schonend auf andere Flächen transferiert wird, wo dieser gebraucht wird. Dafür sollten die Bodenkundler schon lange vor dem Spatenstich in die Planungen eingebunden werden. Denn ist die Baugrube erst einmal ausgehoben, kann schon vieles zerstört sein. „Es geht vor allem darum, dass man den richtigen Zeitpunkt abwartet, um den Boden zu entnehmen”, erklärt Walter Fitz. Generell sollte die Erde in trockenem Zustand und nicht im Winter bewegt werden, damit die Struktur möglichst wenig verändert wird. Sand und Schotter sind in dieser Hinsicht relativ pflegeleicht. „Doch je feinporiger – also lehmhaltiger – der Boden, umso weniger reversibel sind die Maßnahmen”, zeigt Dr. Fitz auf. Ihm ist zwar bewusst, dass der Einsatz einer Schubraupe billiger ist. Als Bodenschützer appelliert er aber dafür, den Aushub lieber mit einem Bagger einzubauen, weil der das Erdreich viel weniger verdichtet.
Auf dem Demonstrationsfeld der KLAR!-Region soll nun aufgezeigt werden, dass es sich bei diesen Empfehlungen keineswegs nur um Theorie oder gar Schikane handelt. Weitere Ziele sind die Erarbeitung eines Leitfadens für bodenverbessernde Maßnahmen, eines Leitfadens für die Humuswirtschaft auf Acker- und Grünlandflächen, eines Kriterienkatalogs für Pachtverträge zur Förderung bodenschonender Bewirtschaftungsweisen und einer Karte zur Identifizierung von Standorten, auf denen bodenverbessernde Maßnahmen Sinn machen. Auf Initiative von Umwelt-Landesrat Johannes Rauch wird das Projekt zudem wissenschaftlich dokumentiert und als Grundlage für die Ausarbeitung praxisnaher Richtlinien herangezogen.
Ende Mai wurden in Bludesch Karfuns, direkt an der L50 zwischen Bludesch und Gais, vier jeweils 750 Quadratmeter große Flächen, die direkt aneinander angrenzen, ausgesteckt. Eine dieser Flächen wird nicht angerührt, während der Boden nebenan bearbeitet und dann mit einer Grünlandmischung neu angesät wird. Auf der dritten Fläche wird getestet, wie sich die Einbringung von Torf-Aushubmaterial langfristig auswirkt, das vor allem im Unterland immer wieder in großen Mengen anfällt.
Um das Niveau zur angrenzenden Landschaft zu halten, wird das letzte Teilstück einen Meter tief abgegraben, magere Erde durch fruchtbaren, wasserspeicherfähigen Unterboden ersetzt, mit dem zwischengelagerten Humus rekultiviert und ebenfalls angesät. Danach heißt es warten. Vier Jahre lang dürfen die Versuchsflächen nicht als Kuhweide genutzt, nicht mit Gülle gedüngt und nicht mit schweren Maschinen befahren werden. „Wir werden lediglich das Gras als Kuhfutter ernten”, erklärt Versuchsleiter Fitz. Der Bodenkundler ist überzeugt davon, dass die Fläche mit dem verbesserten Unterboden auch in Trockenjahren für einen ausgeglicheneren Wasserhaushalt sorgen wird. Im Vergleich zu den Kontrollflächen ist dort mit weit geringeren Ertragseinbußen zu rechnen. „Während anhaltender Niederschläge können solche tiefgründigen Böden bei einer flächigen Umsetzung auch einen signifikanten Beitrag zur Dämpfung von Hochwasserspitzen leisten”, ist sich Dr. Fitz sicher.
In der Bludescher Gemeindestube freut man sich, dass dieses Projekt von der KLAR!-Region aufgegriffen wurde. Die Gemeindeverantwortlichen haben schon vor Jahren Kontakt mit dem Bodenkundler gesucht, als sie sich im Rahmen der Raumplanung beziehungsweise Anträgen zur Kiesentnahme mit den Böden im Ort beschäftigten. Bgm. Martin Konzet erwartet sich von dem Demonstrationsprojekt ein Umdenken, das auch dazu führt, dass die Behörden wie in Salzburg mehr auf die Einhaltung der Österreichischen Rekultivierungsrichtlinie pochen.
Damit sich möglichst viele Menschen ein Bild von diesen Vorgängen machen können, wird die KLAR!-Region Walgau regelmäßig zu Exkursionen und Besichtigungen laden. Interessierte finden alle Termine sowie weitere Infos zum Projekt unter www.walgau-wunder.at.